House ist bekanntlich ein weites Feld und immer eine Frage der Sparten-Definition. Hier wollen wir über den soulig warmen Vocal-House sprechen, der in der letzten Zeit nur zu gern in den Schatten des großen Minimal-Electro-Irgendwas Kontext gestellt wird. Doch erkennt man bei vielen etablierten DJs wieder den Turn zu altbekannten Housestrukturen. Die dabei aus Deutschland stammenden öffnetlichkeitswirksamen House-DJs und Producer kann man derzeit wohl an zwei Händen abzählen. Einer von ihnen ist zweifelsohne Ralf Gum, der Anfang Mai nach 18 Jahren DJ-Dasein sein Debüt-Album veröffentlichte, das internationale Echo war überwältigend und damit auch Grund genug, den Herren euch ein wenig näher zu bringen.
Das Markanteste – neben deinem Sound - ist wohl dein DJ Pseudonym, wie kam es denn zu „GUM“?
Oh, das werde ich oft gefragt und die Antwort ist eigentlich ganz simpel und nicht so spannend. Meine ersten Club-Gigs hatte ich, zu Beginn noch mit Axel Hollfelder als DJ-Team, auf einer Party-Reihe namens „GUM-Core“. Wie der Clubbesitzer zu dem Namen kam, kann ich gar nicht sagen, aber viele der Gäste und auch die lokale Presse haben uns relativ schnell GUM-Team genannt. Als Axel schließlich, im Unterschied zu mir das auflegen aus beruflichen Gründen hinten anstellen musste, habe ich das GUM einfach hinter meinen Vornamen gestellt.
Seit 2001 betreibst du recht umtriebig das Label „Gogo Music“, was sich recht schnell zu einem wichtigen Namen in der deutschen House Landschaft gemausert hat.
Danke für die Blumen, aber es war schon ein hartes Stück Arbeit. Vor allem national. Ich wusste dies von Anfang an, da Deutschland für deep und soulful house ja nicht gerade berühmt ist. Aus diesem Grund habe ich das Label vor allem international promotet. Es schien jedoch auch dort für ein deutsches Label etwas schwieriger zu sein mit einem derartigen Sound akzeptiert zu werden, da sich die Szene eher an Amerika orientiert. Nachdem das Label sich aufgrund der kontinuierlichen Arbeit schließlich international fest etabliert hatte, trägt es heutzutage auch im eigenen Land Früchte. Der lange Atem zahlte sich eben aus.
Du bist seit 1990 DJ und nach eigener Aussage, deiner Leidenschaft für US-House immer treu geblieben. Wie schafft man das? Was begeistert dich am deeperen House?
House ist einfach mein Rhythmus. Die Beats sind perfekt zum tanzen und ich finde, dass man mit keinem anderen Sound eine so positive, aggressionslose Party feiern kann. Musikalisch reizt mich, dass ich praktisch jeden erdenklichen Stil von Afro über Latino bis zu Jazz oder gar Klassik in die Produktionen einfließen lassen kann. Speziell in unserem Land muss man natürlich schon ein Idealist sein, um dies so konsequent durchzuziehen.
Du arbeitest bei deinen Produktionen mit einer Reihe von namhaften Größen (Inaya Day, Monique Bingham, Michael Procter...) zusammen. War es zu Beginn deiner Produktionsarbeit schwer an etablierte Musiker heranzukommen?
Als ich mein Label GOGO Music gegründet habe, war ich als Produzent in der Szene schon etabliert und so war es nicht allzu schwer das Interesse an einer Zusammenarbeit bei diesen Ausnahmetalenten zu wecken. Natürlich wollen auch jetzt die Sänger die Playbacks hören, bevor sie einer Kooperation zustimmen, aber meist sind sie alle recht schnell von den Tracks überzeugt. Zu Anfang meiner Karriere war das natürlich noch nicht so einfach, bis ich mir schließlich einen guten Ruf erarbeitet hatte.
Du hast auf unterschiedlichsten House-Labels released - gerade Compose, InfraCom! oder Tommy Boy fallen dabei den geneigten Sammler ins Auge -, aber auch für Milk & Sugar oder Peppermint Jam, die gerade im 21. Jahrhundert wohl zur funktionaleren Gattung gehören. Beschäftigst du dich mit Schubladen oder lebst du dich einfach aus?
Ich will nicht über die musikalische Entwicklung anderer Labels urteilen. Jede Plattenfirma muss für sich selbst entscheiden in welche Richtung sie sich gehen will und je größer eine Firma wird, umso wichtiger werden natürlich auch ökonomische Fragen. Prinzipiell versuche ich auf Labels zu veröffentlichen, die ich selbst cool finde und deren Platten ich gerne spiele. Ich denke dabei aber nicht in Schubladen, sondern produziere das was mir gefällt. Bei welcher Plattenfirma es dann erscheinen könnte ist mir in diesem Moment nicht wichtig.
Appropos ausleben, du bist nach wie vor sehr aktiv als DJ unterwegs. Kam es für dich nie zu der Frage, einfach nur noch zu produzieren?
Bisher nie. Beides sind wichtige Teile von meinem Leben und beides macht mir Spaß. Es ist toll wenn das Publikum zu einem Set tobt, aber es ist ebenso befriedigend eine Produktion im Studio zu beenden. In Beidem steckt immer viel Herzblut.
In Zeiten von diversen Mash-Up Genres, Electro-House und Clash-Variationen scheint die klassische (Deep-) House-Struktur eher einer kleinen Nischengruppe geblieben zu sein...Wie siehst du die derzeitige deutsche House-Landschaft?
Leider ist die Szene für diesen Sound inzwischen wirklich sehr klein gewordern. Ich denke einer der Gründe hierfür ist auch die deutsche Presse für elektronische Musik. Es wird kaum noch über Vocal-House geschrieben, vor allem dann nicht, wenn er aus dem eigenen Land kommt oder hier stattfindet. Stattdessen wird fast nur über Minmal- oder Tech-House berichtet. Da sich leider viele DJs, Journalisten, Plattenläden und oft auch die Clubs dem anpassen, was als allgemeiner Trend gepriesen wird, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass Abende mit klassischem House inzwischen schwer zu finden sind. Aus den Erfahrungen bei meinen Gigs muss ich allerdings sagen, dass dieser Sound meist sehr gut funktioniert und das Publikum oft dankbar ist auch wieder mal eine Stimme und Melodie zu hören.
Anfang Mai kam dein erstes Album auf den Markt, das internationale Echo war überwältigend positiv. Für dich ebenso erwartet?! Und warum dauerte es eigentlich so lang, bis es DAS Ralf GUM Album gab?
Bei einer eigenen Veröffentlichung, speziell bei einer ganzen CD, sitze ich solange an der Produktion, dass ich das Endprodukt selbst kaum noch objektiv beurteilen kann. Auch wenn ich wusste, dass ich mit dem fertigen Album zufrieden bin, bin ich niemand der sich selbst auf die Schulter klopft, sondern überlasse die Bewertung lieber den anderen. Dass die Resonanz jetzt so überwältigend ist freut mich natürlich, auch weil ich schon lange Lust hatte dieses Album zu produzieren. Allerdings wollte ich nie einen 0-8-15 Longplayer machen, der aus einer simplen Aneinandereinung von einigen meiner House-Singles besteht. Ich habe deshalb immer auf eine gute Idee gewartet dieses Problem zu umgehen, bis mir schließlich klar war, dass es eine komplett durchgängige Komposition sein müsste. Außerdem hatte ich während der Aufbaus von GOGO Music einfach nicht die Zeit, ein ganzes Album zu produzieren.
So...und wie lange muss nun wieder auf ein Album gewartet werden?! ;) (...was steht als nächstes an?)
Ich bin jetzt erst mal froh mein Debut fertig zu haben und die Veröffentlichung in den Läden zu sehen. Wann es den Nachfolger geben wird kann ich noch nicht sagen, da 2008 auch ohne die Arbeit an einem Album ein geschäftiges Jahr wird. Es sind schon wieder viele Dinge in Vorbereitung. Aktuell gibt es eine weitere Single von „Uniting Music“. “If No Harm” mit Rachel Claudio als Sängerin wurde von The Jinks geremixt. Voraussichtlich im Juli wird es den Song mit Wunmi “Brother Like No Other” auf 12“ geben, der dann natürlich auch noch mal einige neue Remixe enthalten wird. Auf GOGO Music werden außerdem neue Singles von Roberto De Carlo sowie Raw Artistic Soul erscheinen. Ich selbst arbeite auch an neuen Releases unter anderem mit Kissey Asplund, Ladybird und einer Nachfolgesingle zu „Kissing Strangers“ mit Monique Bingham – lasst euch überraschen.
Interview: Peter Weißenborn