Das Leben dieses Mannes erzählt eine aufrüttelnde Geschichte...in Kabul geboren, kam Ismael Hares, so Maliks bürgerlicher Name, als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Deutschland. Seit seiner Geburt leidet er an einem Genfehler, der ihn an den Rollstuhl fesselt. Obwohl er seit 1998 im professionellen HipHop-Geschäft aktiv ist, lehnten ihn Manager und Plattenfirmen immer wieder mit der Begründung ab, dass man einem Rollstuhl-Fahrer keine Rapper-Existenz zutraue. Doch Malik hat die Opferrolle satt und holt mit seinem Debutalbum „Gerecht gerächt“ knallhart zum Gegenschlag aus!
Text und Interview: Michael Möbius
„Gerecht gerächt“ ist dein persönliches Ventil um deiner Wut, Enttäuschung und dem Hass gegenüber deinen Zweiflern Ausdruck zu verleihen. Hast du Bedenken, dass die Öffentlichkeit deine Geschichte hinter dem Album vergisst und dich nur als einen weiteren deutschen Battle-Rapper betrachtet?
Angst auf keinen Fall. Wenn man alles runter rechnet bin ich ja auch ein Battle-Rapper. Aus diesem Umfeld komme ich bzw. das ist die Musik mit der ich mich seit jeher beschäftigt habe. Nun ist es allerdings so, dass es eine Menge HipHop-Faschisten in Deutschland gibt. Plötzlich soll ein Krüppel kein Battle-Rap Album machen dürfen. Aber ich frage mich ernsthaft, warum? Wenn Menschen mit Handicap alles sein können in Deutschland und auch alles machen dürfen, warum dann kein Battle-Rap Album? Ich hätte nie gedacht, dass so etwas eintritt, aber auf einmal springen aus allen Ecken diese verblendeten Rap-Nazis raus und wollen mir weiß machen, ich solle Rap mit „Tiefgang“ produzieren? Warum? Nur um denen das Bild vom armen Rollstuhl-Fahrer zu geben? Darauf scheiße ich. Und wenn Deutschland das von mir will, dann ist eben auch auf Deutschland geschissen!
Willst du die musikalische Schiene deines Debutalbums weiter fahren oder ist die harte, lyrisch aggressive Abrechnung nur ein Schlussstrich unter die Ereignisse der Vergangenheit?
Schön, dass du das fragst. Offenkundig hast du dich mit meiner LP beschäftigt. Ganz im Ernst, diese LP ist dazu gedacht endlich einen Schlussstrich unter die ganzen Ereignisse zu ziehen. Man mag es kaum glauben, aber ich habe auch noch eine Menge anderer Themen über die ich sprechen will und muss. Musik ist so eine unschuldige und schöne Möglichkeit zu träumen. Leider hat die Musik-Industrie mir den Traum zum Albtraum gemacht. Entweder wollte man gar nicht mit mir arbeiten und wenn doch, dann nur zu „ihren“ eigenen Konditionen, was soviel heißt wie, wir müssen den Rollstuhl-Bonus ausschlachten. Aber wer mich kennt, weiss, dass es mir nur um meine Fertigkeiten als Rapper und Songwriter geht. Bekomme ich Respekt nur aufgrund der Tatsache, dass ich mich im Rollstuhl fortbewege, dann will ich lieber gar keinen. Daher musste dieses Album her, um mit Stärke und Wut den ganzen Schmerzen und Niederschlägen zu begegnen.
Welchen Einfluss auf deine musikalische Entwicklung hatten die Tourneen mit Xavier Naidoo, Söhne Mannheims oder The Pharcyde?
Was Rap angeht, hat Notorious B.I.G. immer eine große Faszination auf mich ausgeübt. Deshalb bin ich 2006 auch für einen Monat nach Brooklyn Flatbush gegangen. In das Herz von Biggie. Ich wollte sehen, wie es dort aussieht, wie die Menschen sind, die diesen Rapper hervorgebracht haben. Aber auch Xavier hatte schon immer einen großen Einfluss auf mich. Seit es ihn gibt, ist überhaupt erst deutscher Soul möglich geworden. Deshalb versuche ich in meinen Texten und Songs immer auch eine gewisse Melodiösität einzubringen. Viele denken, bei so einem harten Album gäbe es keinen Platz für Gesungenes. Ich wollte zeigen, dass dem nicht so ist. Pharcyde hatten ein paar sehr große Hits zu Old-School-Zeiten. Ich habe die gern gehört, aber einen besonderen Einfluss auf meine Kreativität hatten diese Pioniere eher nicht.
Siehst du dich selbst in einer Art Vorbildfunktion für andere Künstler, denen es im Musik-Biz ähnlich schwer gemacht wird, wie dir? Willst du mit deinem Label „KanakStarrs Rec.“ in solchen Fällen unterstützend eingreifen?
Ich bin kein Vorbild und will auch keines sein. Ich möchte einfach Künstlern helfen, die nicht das KnowHow oder die Mittel haben den ersten Schritt zu machen. Es geht mir hier besonders darum, Künstler unter Vertrag zu nehmen, die einen Migrations-Hintergrund haben. Wenn ein Künstler talentiert genug ist und bereit sehr hart zu arbeiten, würde ich ihn, solange die finanziellen Mittel es zulassen auch signen. Nur momentan ist es so, dass KanakStarrs gerade zwei große Veröffentlichungen zu verdauen hat. Zum einen mein Album und die LP von STN, einem Rapper türkischer Herkunft. Daher ist es uns erstmal nicht möglich weitere Acts unter Vertrag zu nehmen.
Hattest du schon länger Interesse daran, ein eigenes Label zu gründen oder war es nur ein notwendiger Schritt um nach all den Absagen deine Musik und dein Können endlich einer breiteren Masse zugänglich zu machen?
Irgendwann hatte ich schon mal geplant ein eigenes Label zu gründen und KanakStarrs war ja anfänglich als Crew-Name gedacht. Ein Label wollte ich aber erst gründen, wenn ich ein paar Erfolge hinter mir habe und die Menschen mich als Künstler wahrnehmen, um es dann auch anderen Acts leichter zu machen. Dass ich jetzt dieses Label gegründet habe, kam also notgedrungen. Entweder du wirfst 10 Jahre Rap und Entwicklung weg oder du gehst den Weg weiter. Ich will Menschen erreichen und mich mitteilen. Dass meine Songs, meine Gefühle und Gedanken nicht immer auf Gegenliebe treffen, war mir klar. Aber ich bin nunmal zutiefst emotional. Ich kann mich sehr herzlich freuen, zutiefst traurig und beklemmt wirken, aber auch sehr wütend und aggressiv sein. Letztendlich ist das mit einem Wort zu beschreiben: Leidenschaft!
Zum Abschluss des Interviews noch eine Frage zu deinen Zukunftsplänen. Wohin soll dich dein Weg als Rapper und Labelchef führen? Steckst du dir weite Ziele oder bist du nach all den Rückschlägen der Vergangenheit eher zurückhaltend? Gibt es schon neue Projekte bzw. hast du neue Sachen in Planung?
Ich habe ein paar neue Dinge in Planung. Dazu kann ich nichts sagen, da noch nichts spruchreif ist. Ich fange demnächst an mein zweites Album zu schreiben. Und es wird auch ein KanakStarrs Album geben, wo STN und ich zusammen vertreten sein werden. Wir arbeiten ausserdem an einer Tour und die Hauptsingle "Ihr kriegt mich nicht" kommt im Juli. Durch die Rückschläge bin ich natürlich mit all meinen Aussagen etwas vorsichtiger geworden, aber entmutigen lasse ich mich dennoch nicht. Es gibt zu viele schöne Dinge auf der Welt, für die sich kämpfen lohnt. Also schauen wir, was die Zukunft bringen wird.