Cio D’Or ist eines der jungen Gesichter des Techno made in Germany. Ende letzten Jahres sahen wir ihr erstes Release auf Treibstoff („Hokus Pokus“) und wurden so bereits zum zweiten Mal auf die hübsche Münchnerin aufmerksam: Ein paar Jahre zuvor hatte sie als Tour-DJ für Richard Bartz’ Label Disko B schon einmal deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Heute betreut sie ihre eigene Clubnacht in der bayrischen Landeshauptstadt (gemeinsam mit Lux Lupo im Woandersclub) und arbeitet fleißig weiter an ihrem Ruf als Produzentin. Ausreichend Gründe für uns also, die Gute einem zünftigen Verhör zu unterziehen:
Ich weiß, diese Frage hörst du sicherlich oft - aber was steckt eigentlich hinter deinem Namen „Cio D'Or“?
Cio ist mein „Nickname“ seit meinem 13. Lebensjahr und steht in meinem Pass. D'Or heißt auf Französisch „in Gold“ und stammt ganz simpel von meinem Nachnamen „Dorbandt“. Ich wollte keinen Formel-Namen sondern etwas Authentisches. Denn Musik ist etwas sehr Persönliches. Ein Name steht für eine bestimmte Musik-Aussage.
Dein musikalischer Style umfasst ein recht umfangreiches Spektrum. Kannst du kurz für uns umreißen, was du so alles spielst?
Meist spiele ich Gigs zu Hauptzeiten und dabei ist es mir wichtig, dass die Crowd nicht einschläft. In erster Linie ist mein Konzept deep, treibend, mit Überraschungseinlagen (Salz/Pfeffer + diverse andere Gewürze, die nach meinem Geschmack passend sind), Acid-Parts und möglichst viel Aussage innerhalb eines Tracks - soviel es irgend möglich ist bei Clubmusik. Ich hasse Vocals in elektronischer Musik, es sei denn, die Vocals sind sehr ungewöhnlich, echt oder komplett verfremdet...
Inwiefern stellen diese andere Formen der Musik als die, die du im Club auflegst, eine Inspirationsquelle für dich als DJ, Produzentin und Mensch dar?
In meiner Freizeit stehe ich auf jegliche Musik, die etwas sagt und auch nicht unbedingt antreibt, sondern den Menschen durch den Tag trägt oder gar fliegen lässt... Das kann alles Mögliche sein, nur bitte nicht billig produziert mit Hinblick auf: „Heute machen wir mal Geld!“ Nichts gegen Moneten, aber die will ich nicht in der Musik hören...
Klassik, z.B. Strawinsky ist für mich eine Kombination aus Tiefe, Wahnsinn und höchstem musikalischem Anspruch. Totale Faszination bis kurz vorm Abheben. Absolut fesselnd ist „Le sacre du printemps“ oder auch Bela Bartok und viele mehr. Moderne Produzenten (mich eingeschlossen) sind meiner Meinung nach weit von dieser Aussage entfernt. Deshalb sind derartige Werke eine wahre Inspirationsquelle. Der Hang zur Klassik kommt aus meiner Ballett- und Tanzausbildung. Auch Jazz oder Soul kann mich tief berühren. Für mich gibt es keine Grenzen von Musik.
In einem Interview bei Techno.de vom letzten Jahr äußerst du dich etwas abfällig über Minimal-Laptop-Musik. Dass sie schnell und billig produziert sei und ihr die nötige Wärme fehle. Schwörst du selbst ausschließlich auf Hardware beim Produzieren?
Ich habe nichts gegen Laptopmusik, solange sie fett oder warm klingt (ich selber produziere ja auch am Laptop). Auch die Anfänge der Frickel-Phase hatten ihre Neuheiten und ihre Berechtigung. Klar kaufte ich auch die eine oder andere Platte aus dieser Zeit, doch mehr
als die Hälfte davon landetet wieder auf Ebay. Ungespielt. Warum? Mir fehlten die Wärme und der Antrieb in der Musik. Kopfmusik. Intelligent, modern, aber schnell durchlebt... Es gibt eine Scheibe von Jay Haze aus der Zeit, die in ihrem Minimalismus Mengen bewegen kann. Auch einige Richie Hawtin-, Ricardo Villalobos- und Luciano-Produktionen sind zeitlose Rocker. Aber allzu viel ist aus dieser aufbäumenden Frickel-Phase nicht übriggeblieben in meinem DJ-Koffer.
Seit 1997 arbeitest du nun schon als Musikproduzentin. Warum hat es trotzdem bis letztes Jahr gedauert, ehe deine eigenen Tracks veröffentlicht wurden?
Viele Experimente, Technikveränderungen und Vorarbeiten - neben 1001 anderen Arbeiten - gingen meinem ersten Release voraus. Ich hatte acht Tracks fertig, bevor ich sie aussandte. Und dann auf Labelentscheidungen warten, die auch eine Menge Zeit brauchen...
Wie geht's denn jetzt mit deinen Produktionen weiter? Bleibst du weiterhin bei Treibstof oder kommt da auch noch etwas bei anderen Labels?
Treibstoff ist mein Debütlabel und somit wird Marcel Janowski immer meine aktuellen Tracks zu hören bekommen. Das ist Ehrensache. Ich will keine „Labelhure“ sein, kann mir aber vorstellen, mit einigen Labels zusammenzuarbeiten. Ich bin da wählerisch. Einige Anfragen lehnte ich bereits ab. Es erscheint im Frühsommer ein Track von mir auf Kurbel im Rahmen eines Munich-Feature, sowie ein Remix für Trisomie 21 in Frankreich auf CD. Demnächst werde ich eine neue Aussendung mit drei neuen Tracks starten.
Verbindet dich heute noch viel mit Richard Bartz? Ich habe das Gefühl, ihr habt euch soundmäßig in unterschiedliche Richtungen entwickelt.
Wie gesagt: Cio D’Or demnächst auf Kurbel... Die neuen Produktionen auf Kurbel standen nicht unbedingt für meinen DJ-Style, aber z.B. spiele ich derzeit die Kurbel 32 (B2: „Sun Sun“). Zudem kenne ich einige neue Produktionen von Richard und ich sage dir: Ich werde sie spielen. Richard Bartz ist mit vielen Wassern gewaschen und egal, welchen Style - er hat
immer Qualität und Mut bewiesen. Style-Wanderungen würden wohl jeden einmal reizen, wenn er 1001mal den „Underground-Style“ ausgelebt hat bis zum Unermesslichen. Das Wort Entwicklung wird hier groß geschrieben... Dazu kommen weltweite Cluberfahrungen… Es geht weiter.
Text & Interview: Steffen Bennemann