Das Erfurter Label 1st Decade entstand im Jahre 2000 aus der Intension heraus, für seinen eigens kreierten Sound mit dem prägnanten Namen Neo.Pop eine Basis zu schaffen. In 6 Jahren akribischer Labelarbeit ist es gelungen ein Imprint am Markt zu etablieren, dass neben den Gründern und Vorzeigekünstlern Northern Lite eine ganze Riege von talentierten Kreativposten eine Plattform bietet. Dabei sieht man sich nicht als reines Elektronika-Label und verweist auch auf klassische Band-Affinitäten. Zeit für uns sich mit Gunne, dem Mann an und in der Basis zu unterhalten.
Viele haben 2003 beim Erscheinen der ersten Neo.Pop.Compilation gesagt: „Hui, nettes Label. Und das gibt es schon drei Jahre?“ Erklärt uns doch mal kurz was ihr die ersten drei Jahre ohne viel öffentliche Präsenz so getrieben habt.
An ihr gearbeitet :-) Also die ersten Jahre waren schon sehr amüsant. Das 1stDecade-Büro war damals eine kleine Wohnung an einer viel befahrenen, lauten Strasse, was schon mal ein ausreichendes Lüften verhinderte. Es gab 3 kleine Räume, in denen Büro, Lager und das Studio von Andreas untergebracht waren und eine Kaffeemaschine im Dauerbetrieb. Die Anfangszeit ist ja ein dauernder Lernprozess. So stand man, nachdem die Idee zur Neo.Pop.Compilation geboren war, vor dem Problem: Wie macht man das eigentlich? Man will ja auch nicht wie ein Anfänger dastehen. Letztendlich haben wir einfach eine Anfrage genommen, die für einen Northern Lite Song von einem anderen Label hereinkam, alle Punkte abgeschrieben und gehofft, dass sei universell.
Man hat das Gefühl, dass das Label sehr vom Boom um Northern Lite profitiert hat. Richtig?
Natürlich, die Jungs haben das Label auch gegründet. Dafür war es ja auch am Anfang gedacht. Allerdings: ist es nicht bei anderen Labels ebenso? Hat Gigolo nicht auch von Begründer Hell profitiert und Pokerflat nicht von Steve Bug? Nur dadurch gab es ja überhaupt erst die Möglichkeit andere Acts wie Warren Suicide oder Neon Man zu signen. Ein neuer Act, wie demnächst Chapeau Claque, benötigt zum richtigen, behutsamen Aufbau immer Zeit, Geld und Geduld.
Ich dachte auch immer, dass Northern Lite 1st Decade Urgesteine und Andreas Kubat und Sebastian Bohn Mitbegründer des Labels sind. Warum ist der größte Hit „My Pain“ dann zuerst auf Pascalidis` Lasergun erschienen?
Savas wollte damals unbedingt einen Track der Band veröffentlichen, woraufhin sie ihm das damals frische „My Pain“ geschickt haben. Da nun auch The Hacker von dem Stück begeistert war und einen Remix machen wollte, war die Entscheidung gefallen. Man muss auch beachten, dass Lasergun zu dieser Zeit schon ein viel höheres Standing hatte als 1st Decade. Das war quasi eine Ehre und hat im Endeffekt der Band und dem Label rückwirkend sehr viel Aufmerksamkeit eingebracht.
Ihr habt mittlerweile Armut24 gegründet, ein Sub-Label. Welche Intension verfolgt ihr damit und was für ein Stuff erwartet uns dort?
1st Decade ist ja – und das wird in näherer Zukunft immer deutlicher werden – kein rein elektronisches, auf den Floor ausgerichtetes Label. Hier sind ja Songstrukturen und ihre adäquate Live-Präsentation durch Bands viel wichtiger als ein funktionelles Tool. Gleichwohl kommt ja ein Großteil von uns aus der elektronischen Musikszene bzw. ist selbst DJ. Armut24 ist dann explizit dafür gedacht. Gerade für Leute wie Gunjah ist dies der perfekte Tummelplatz.
Gibt es dieses Jahr eine 5Y1ST Compilation?
Nein, dafür ist schlicht und ergreifend keine Zeit.
Wie kommt der talentierte Produzent an euch ran? Wer hat überhaupt eine Chance?
Grundsätzlich hat jeder die Chance dazu. Wir hören uns definitiv alles an, was uns zugeschickt wird. Die Adresse steht auf der Website. Gleichwohl ist es natürlich wichtig, dass sich die Leute auch vorher schon einmal ein wenig mit Label beschäftigen. Es kommt doch bisweilen vor, das wir uns fragen: wie kommt dieser oder jener nur darauf, seine Produktionen an uns zu schicken? So offen wir auch für verschieden Sachen sind, manchmal gewinnt man den Eindruck, dass einige nur wahllos soviel wie möglich Stuff an so viele Labels wie möglich schicken.
Wie seht ihr die Rolle von 1st Decade in Deutschland, besonders im Osten. Mittlerweile seid ihr ja international ein Vorzeigeprodukt.
Danke für die Blumen, allerdings sind solche Bewertungen immer eine seltsame Sache. Fakt ist, dass wir noch längst nicht da sind, wo wir hinwollen – und dies meint eine Plattform für eigenständige, kreative Künstler bieten, mit der es möglich sein soll den Act über einen längeren Zeitraum international bekannt zu machen. Und das heißt in erster Linie auch die Live-Umsetzung bspw. als Band. Vielleicht sind wir hier einem klassischen Indie-Label viel näher als einem reinen Techno-Label.
In dieser Zeit haben sich auch Acts wie Boon als Solo Künstler, Junghans, Gunjah oder Neon Man einen Namen gemacht. Kümmert ihr euch auch um die regelmäßigen Auftritte der Künstler oder betreibt ihr reine Labelarbeit?
Das geht oft Hand in Hand, hängt aber auch von Vorstellungen und Möglichkeiten der Künstler ab. Neon Man bspw. haben längste eine eigene funktionierende Struktur, zumal ihr Sitz in Berlin viel dazu beiträgt. Ihr Album ist ja z.B. auch auf einem andern Label erschienen. Bei einem neuen Act wie die schon erwähnten Chapeau Claque, ist es wichtig gerade in der Anfangsphase helfend unter die Arme zu greifen. Da bieten sich Support-Slots an oder unsere eigene langjährig aufgebaute Struktur.
Was viel schon mal wissen wollten: Wie sieht das 1st Decade Büro aus und wie läuft der Label-Alltag ab? Sitzen Andreas, Sebastian und Sascha regelmäßig zum Frühstück zusammen und Gunjah kocht den Kaffee?
Oh je, das ist bestimmt ernüchternd. Zwar haben wir mitten im Büro eine Tischtennisplatte stehen, an der schon einige erbitterte Schlachten geführt worden, allerdings ist diese dann doch meist belegt mit irgendwelchen Sachen, Platten usw.
Ansonsten ist es reine Büroarbeit – d.h. am Rechner sitzen, Telefonate führen und bisweilen den Kopf qualmen lassen ob der kommenden Aufgaben. Immerhin ist das Büro jetzt größer und wir können getrost die Fenster öffnen. Und würde Gunjah nicht in Dresden sitzen hätten wir ihn sicher schon dazu verdonnert regelmäßig Kaffee zu kochen.
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