// Portraits

Etui Records - Interview

Titelmotiv - (v.l.n.r.) Insect O, Alec Troniq, Soeren Matschiste
(v.l.n.r.) Insect O, Alec Troniq, Soeren Matschiste

In 8 Jahren des Label-Daseins erscheint auf Etui Records die gerade erst elfte Veröffentlichung, was keinesfalls auf die Antriebslosigkeit der Macher Insect O. und Machsite schließen lässt. Eher kann man von einer Zwangspause sprechen, die das Dresdener Label eingelegt hat um nun voller Euphorie einen neuerlichen Aufbruch zu starten. Ein Label am Zahn der Zeit, dass wir unter die Lupe genommen haben.

Euer Label existiert seit 1998, jedoch hörte man bis vor zwei Jahren, mit dem recht witzigen Release „Dschoänna“, nicht unbedingt viel. Gebt uns doch mal einen kurzen Überblick über euer Schaffen davor.
ETUI Records wurde 1998 zum Ende der Flugzeugwerft von Oliver Hartmann gegründet. Es galt den wilden Techno-Spirit der End-Neunziger festzuhalten. Die Flugzeugwerft war zur damaligen Zeit eine der angesagten Technolocations hier in der Region. So entstand 1998 die ETUI001 Insect O. „Flugzeugwerft EP“ und 1 Jahr später die ETUI002 Insect O. „reflections“. Auf seinen Reisen durch die Clubs traf Oliver Hartmann irgendwann Tilo Kunze aka Pro.Ton. Ihre gemeinsame Begeisterung für die AKAI MPC und den Access Virus A und die damit verbundene Art Techno zu produzieren verband die beiden. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 2001 die ETUI003 "connecting music". Doch ein Label läuft auf Dauer nur mit einem Netzwerk aus Künstlern und damit sah es zur Jahrtausendwende in Dresden etwas schwierig aus. Fast jeder Künstler hatte sein eigenes Labelprojekt. Dies konnte auf Dauer nicht funktionieren und so stellte u.a. auch ETUI erst einmal die Veröffentlichungen ein. Die Musikszene stand vor einem Reifeprozess. 2006 dann war endlich die Zeit gekommen. Im Alten Wettbüro hatten die Scepa´s zum Tanz geladen und Stefan Menzel aka Soeren Matschiste und Oliver Hartmann trafen sich zum ersten mal. Und irgendwie war vom ersten Moment klar: jetzt geht’s los! Gemeinsam beleben sie ETUI wieder.

Um nochmal auf Dschoenna zurückzukommen...Ihr macht recht eigenwillige Releases, ist das der spezielle Dresdner-Geist, oder woher kommt das?
Das kulturelle Leben der Stadt gestaltet sich zu vielseitig, um von einem speziellen Dresdner Geist zu sprechen. Dennoch findet man hier auch einige musikalische Raritäten, die nicht immer sofort mit den momentan gängigen Sounds einhergehen. Obwohl wir natürlich darauf schauen müssen, dass unsere Platten gekauft werden, ist es uns wichtig, zu wissen was hinter dem Tellerrand passiert und Produzenten wie Alec Troniq mit seinem recht individuellen Sound mit an Bord zu haben. Das erste ETUI-Release nach der Schaffenspause „Dschoänna“ von Insect & Matschiste passt wohl auch ein wenig in dieses Bild. Schaut man auf andere Releases, sieht man, dass ETUI einen breit gefächerten, bis auf wenige Ausnahmen immer cluborientierten Sound präsentiert, wobei man jedem Künstler seine ganz eigene Klangästhetik anhört.

Mit „Kassensturz“ (Insect & Matschiste), oder spätestens mit „Passengers“ (Alec Tronic) begann man euer Label verstärkt am Markt wahrzunehmen. Mittlerweile entwickeln sich auch interessante Kollaborationen, und es gibt bereits ein Sub-Label ETUI Galaxi für digitale Releases. Warum ein digitales Sub-Label?
Gern würden wir aller 2 Wochen ein neues Vinylrelease auf den Markt schmeißen. Das ist technisch leider nicht möglich. In jeder Veröffentlichung steckt viel Zeit, Arbeit und auch Geld. Mit der digitale Plattform ETUI Galaxi haben wir die Möglichkeit noch mehr musikalisches Output an die Öffentlichkeit zu bringen und uns zu präsentieren.

Wie darf man sich einen typischen Abend mit Etui (Mentalic, Matschiste oder Insect) vorstellen?
Ein typischer Abend mit ETUI lebt von Clubmusik mit vielen verschiedenen Einflüssen. Techno von minimal bis voll auf die Nuss, manchmal mit housigen Elementen, mal melodiös und mal Rhythmus orientiert. Alles ist möglich und es kommt ja auch darauf an, wie sich das Wechselspiel mit der Audience gestaltet, auf welchen Film man gemeinsam gerät. Die Live Acts leben von verrückten Verzwirbelungen mit zum teil live gespielten Instrumenten. Einen typischen ETUI Abend gibt es in dem Sinne also nicht, zumal unsere Artists in den verschiedensten Clubs aktiv sind. Man denke nur an Gunjah, der seit Jahren die Dresdner Funkwelt mit unterschiedlichsten Clubsounds beschallt oder EX-Fishmobler Stachy aka Stacy G., dem man seine musikalische Vergangenheit und die damit einhergehende Vielseitigkeit anhört. Kurz zusammengefasst: ETUI-Nächte können lang, euphorisch und schweißtreibend sein.

Wohin wird sich Etui in den nächsten 5 Jahren entwickeln?
Ein ernstzunehmender Wahrsager ist uns noch nicht über den Weg gelaufen. Aber ETUI wird sicher ein sehr berühmtes Label mit Vorbildfunktion für alles was danach kommen wird.

Wenn man an Dresden denkt, denkt man eher an Zwinger, Semperoper, Frauenkirche oder romantisches Elbufer. Was gibt es aus eurer Sicht für den Nachtschwärmer noch interessantes zu entdecken und wo sind die Horte gereifter elektronischer Musik?
Da hat sich in den letzten Jahren auch wieder vieles entwickelt. Neben den großen Clubs wie der Funkwelt oder dem Puschkin, wo international angesagter Sound läuft, gibt es mittlerweile viele kleine interessante Orte und spontane Parties. Ob im Club der Republik, der Zitronenpresse oder nicht zu Letzt in der neueröffneten Galerie Disko, wo wir gemeinsam mit Scepa unsere regelmäßigen Parties veranstalten. Die Leute begeistern sich wieder zunehmend für die Vielseitigkeit elektronischer Clubmusik. Es passiert was eigenes, aus dem inneren der „Szene“ heraus. Etwas was lange in dieser schönen Stadt die einst als Partyhochburg des Ostens oder auch als „little Detroit from the East“ galt, gefehlt hat. Ja, es macht wieder richtig Spaß hier nachts durch die Gassen zu ziehen und überall Menschen zu treffen und hier und da und dort Musik zu hören die einen begeistert.

Interview: Peter Weißenborn

related link: www.etui-records.de