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Curse - Interview

Titelmotiv - © Dieter Eikelpoth
© Dieter Eikelpoth

Fast drei Jahre der kreativen Schaffenspause waren bereits ins Land gezogen, aber seit Ende September ist das Warten vorbei, denn Michael Sebastian Kurth, vielen Musikinteressierten eher unter seinem Künstlernamen Curse ein Begriff, hat sein fünftes Studioalbum „Freiheit” veröffentlicht. Ein Album mit so einem großen Wort zu betiteln ist auf alle Fälle mutig, andererseits aber nur die logische Konsequenz in der Weiterentwicklung eines Mannes, für den HipHop von je her eine ganz andere Bedeutung hat, als Battle- und Representer-Tracks mit unterirdisch vulgärer Gossensprache auszudrücken. Grund genug bei dem Neu-Kölner mal genauer nachzufragen, was sich in letzter Zeit so alles getan hat, wie er sich seine Zukunft vorstellt und welche Träume er sich noch erfüllen will.

Bleiben wir doch gleich beim Thema: Du bist vor nicht allzu langer Zeit aus deiner Heimatstadt Minden nach Köln umgezogen. Was waren die Gründe dafür? War es ein notwendiger Schritt um beruflich und privat am „Puls der Zeit” zu bleiben? Hast du dich in der neuen Heimat schon eingelebt?
Danke, ich hab mich sehr gut eingelebt. An Minden hängt natürlich mein Herz, aber Köln bietet eine sehr gute Infrastruktur für das, was ich mache. Ich bin mit Patrice zusammen in einer Studiogemeinschaft, was kreativ sehr gut ist, und treffe hier auf dem kurzen Dienstweg viele der Musiker und Businessleute, mit denen ich sonst immer Termine hätte machen müssen. Auf der „Input”-Seite bietet eine Stadt wie Köln natürlich auch einiges: Gallerien, Kino und mehr als immer dieselbe eine Kneipe für’s Bier.

„Freiheit” ist nun draußen und direkt auf Platz 12 in die Charts eingestiegen. Wie denkst du darüber? Stellst du in erster Linie wirtschaftliche Erwartungen an so ein Projekt oder ist es für dich wichtiger dir selbst etwas zu beweisen und dich weiterzuentwickeln? Wo siehst du dich selbst nach so vielen Jahren im Geschäft und nunmehr fünf Soloalben?
Jedes Album ist für mich ein Stück meiner Lebensgeschichte, also soll sich das auch jedes Mal widerspiegeln. „Freiheit” ist das Ergebnis von fast drei Jahren Suche, Arbeit und Kreativität, und auch dem Überschreiten von Grenzen. Ich finde das hört man und so soll es sein. Der wirtschaftliche Aspekt ist für mich natürlich wichtig, denn ich lebe von der Musik, allerdings kann ich nicht ein Album für den Verdienst produzieren, sondern muss ein Album machen, was mich persönlich widerspiegelt und dann versuchen, es zu verkaufen.

Die Featurewahl auf „Freiheit” ist für ein HipHop-Album doch recht ungewöhnlich, keine Rapfeatures, dafür hochkarätige Gesangsunterstützung. Ist das mehr aus dem Zufall heraus entstanden oder wie kam es dazu? Demonstrierst du auf diese Weise auch ein bisschen deine künstlerische Freiheit als Rap-Artist?
Ich habe mich direkt am Anfang dazu entschieden, viele Gesangsfeatures auf der Platte zu haben. Ich kenne viele Leute im „Business”, die nichts mit Rap per se zu tun haben und meine Musik und Texte sehr schätzen. Ich wollte diese Verbindung, die über Genre-Grenzen hinausgeht, auf „Freiheit” zeigen.

© Dieter Eikelpoth
© Dieter Eikelpoth

Dass du in deinen Songs tagesaktuelle Themen behandelst ist nicht neu. Auf „Freiheit” findet man natürlich auch solche Texte, besonders denke ich dabei an „Lila”. Der Track schockiert und stellt eine Thematik in den Vordergrund, die uns leider immer öfter in den Nachrichten begegnet: Die Ermordung von Kleinkindern durch deren Eltern. Wie kam es zu diesem Song? Ist es dir wichtig oder siehst du es sogar als deine Aufgabe als Künstler die Defizite in unserer Gesellschaft anzuprangern?
Ich habe mich in der meisten Zeit meiner Karriere dagegen gewehrt als „politischer Rapper” bezeichnet zu werden. Auch „Sozialkritik” kann ich nicht mehr hören, da die Phrase abgedroschen ist und jeder meint, er müsse nur mal ein bisschen meckern und schon sei er sozialkritisch. Ich schreibe das, was mich bewegt. Punkt. Die Geschichte von „Lila” ist über Jahre hinweg entstanden und eigentlich begann es als Versuch einen Text zu schreiben, in dem die Farbe „Lila” ein wiederkehrendes Element ist. Also eigentlich sehr abstrakt. Dann entwickelte sich der Text zu einer Geschichte über ein Mädchen, das auf Grund ihrer Lebensumstände und Erfahrungen den Glauben an sich selbst verliert. Erst während des Schreibens hat sich bei mir dieses Ende, diese Auflösung entwickelt. Ich habe mich damit also fast selbst schockiert. Es gibt Dinge im Leben, über die muss man irgendwie sprechen – wenn man sie innen drin lässt, fressen sie uns auf.

Anfang November machst du eine kleinere Tour und dein neues Album wird erstmals live zu hören sein. Warum gibt es eigentlich keinen Auftritt im Osten der Republik? (Berlin lasse ich hier mal außen vor!)
Es hat sich dieses mal einfach booking-technisch nicht ergeben. Anfang 2009 bin ich auf großer Tour und auf jeden Fall auch im Osten zu sehen.

Du hast dir als intellektueller Rapper in Deutschland einen Namen gemacht, über viele Jahre Erfahrungen gesammelt und bist reifer geworden, quasi schon ein alter Hase im Geschäft. Welche Erfahrungen hast du mit deinen Fans gemacht? Sind die auch erwachsener und reifer geworden oder besucht heutzutage ein anderes Publikum Curse-Konzerte als noch vor acht Jahren? Wie denkst du über diese Entwicklung?
Interessanterweise kann ich das Publikum oft anhand von einer aktuellen Single einteilen. Bei „Gangsta Rap” waren viel mehr 15-jährige da, als bei „Widerstand”, da waren es eher Erwachsene. Ich glaube, ein Stammpublikum wächst mit, aber es kommen immer neue Leute dazu, mal jünger und mal älter. Was ich auf jeden Fall sagen kann und was mich sehr stolz macht, ist, dass Du auf einem Curse-Konzert feiern und eine gute Zeit haben kannst, egal ob du HipHop-Freak oder eher Rocker bist. Das gibt es bei deutschem Rap heute fast überhaupt nicht mehr.

Zum Abschluss des Interviews noch eine Frage zu deiner Zukunft. Mit deinen Texten und der emotionalen Tragweite deiner Songs hast du dir einen ganz eigenen Status im deutschen HipHop-Business erarbeitet. Wo und als was sieht sich Curse in zehn oder zwanzig Jahren?
Ich werde weiterhin schreiben. Ob ich in 20 Jahren, also mit 50, noch Rapper auf der Bühne sein werde, wage ich mal in Frage zu stellen ;-) Ich arbeite gerade an meinem Buch … wir werden sehen!

Text und Interview: Michael Möbius

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