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Reche & Recall - don't stop the midi! - Interview

Titelmotiv -

Manchmal mag das Schicksal kuriose Wege einschlagen um ans Ziel zu führen. So auch im Beispiel von Carsten Rechenberger & Recall 8. Als Mitarbeiter einschlägig bekannter Internetfi rmen und zirka 500 km entfernt von einander, brauchte es erst eine Mail von Deejay.de (Carsten Rechenberger) zu Techno.de (Recall 8) um die heutigen Labelowner von Miditonal Records zusammen zuführen. Ein beinah ironisch anmutendes Absurdum, wenn man bedenkt, dass die beiden Jungs grob betrachtet Nachbarn waren und nicht nur einer ausgeprägten Vorliebe zur elektronischen Musik frönten, sondern auch die gleiche heimatliche Herkunft besaßen. Mit vielen neuen Projekten unter dem Arm haben wir die beiden getroffen und bis auf das Letzte ausgequetscht.

Text & Interview: Sven Hanke

Wie kann man sich inzwischen einen typischen Arbeitstag von Reche & Recall bzw. von Labelbetreibern dreier Labels vorstellen?

Reche: Aufstehen ist strikt um 8 angesagt… pünktlich zur Tagesschau. Nein, das ist natürlich Quatsch. Da Pitt mittlerweile nach Dresden gezogen ist und ich von Chemnitz aus agiere passiert sehr viel über diverse Instant Messenger, Email oder Telefon. Den Großteil des Tages ist man mit Schreibkram erledigen, internen Absprachen, Demos anhören, Schallplatten & MP3s vertreiben, Talente sondieren, Promotion, Pressaufträgen und dem ganzen Lizenzkram beschäftigt. Nebenbei gilt es dann ja auch noch ab und zu etwas Musikalisches zu fabrizieren.

Mittlerweile habt ihr drei Labels – welches Label spezialisiert sich auf welchen Sound? Eigentlich reicht doch ein Label?

Recall 8: Miditonal steht nach wie vor für harten Techno Sound. Im Übrigen erscheint demnächst die neue EP „Midi meets 1040“ mit Tracks von NDK, RDR, Kratzer und uns. Microtonal hingegen bedient sich mehr den minimaleren Klängen, jedoch sind wir stets bedacht melodiöse Stücke mit gewissem Wiedererkennungswert zu veröffentlichen. Hier erschienen vor kurzem erst die MICRO004 von Alec Troniq und die MICRO005 von Microtrauma. Im Mai folgt dann Nummer 6 von Andomat 3000. Und da Erstgenannter (Alec Troniq) mit seinen Buddys Mentalic und Tickles stets kräftig am produzieren ist, lag es nahe für die Jungs eine eigene Spielwiese zu erschaffen. So kam es zur Gründung von Ipoly Music – sozusagen das eigene Label der Drei unter unserer Führung. Auch hier erschien mit Mentalic´s „Highway Man EP“ Anfang Februar die IPOLY002 und für Ende April steht die IPOLY003 von Tickles in den Startlöchern. Desweiteren planen wir für Sommer 2009 die Labels Microtonal-Hybrid und Lowcut Records, welche sich (wie sollte es auch anders sein) dem Techno-House-Genre bedienen.

Seit neustem seid ihr auch Bestandteil einer neuen Booking-Agentur Namens Tonalbooking? Gibt es da einen Bezug zu euren Labels Miditonal und Microtonal?

Reche: Wie sich aus dem Namen schon erschließen lässt, werden hier vor allem Künstler von Miditonal und Microtonal zugleich angeboten. Der Gedanke stand schon recht lange im Raum und im Zuge unserer zeitintensiven Arbeit waren wir auch gezwungen, die bisherigen Booking-Aktivitäten an jemanden abzugeben, der voll und ganz mit dieser Art des Künstlermanagement vertraut ist.

Und wer speziell wird über diese neue Agentur angeboten?

Recall 8: Da aller Anfang bekanntlich schwer ist, sind erstmal nur eine Handvoll an Künstlern vertreten, um den Roster übersichtlich zu halten. Im Techno Bereich wären das NDK, Fin Phranklin, Queaver, Soapespierre und natürlich auch wir, Reche & Recall. Der Minimal-Roster wird von Ron Flatter angeführt und durch Lars-Christian Müller, Mentalic, Alec Troniq und Foss & Stoxx komplettiert. Alle Infos dazu findet man im Netz unter www.tonalbooking.de .

Welche Vorhaben stehen als Nächstes bei Euch an?

Reche: Eine ganze Menge! Neben den wöchentlichen Gigs (wo wir an dieser Stelle schon freudig unsere Beteiligung an den Festivals Nature One, Sonne Mond Sterne und Summer Spirit bekannt geben können) stehen vor allem weitere Veröffentlichungen und die Vinyldebüts der zwei neuen Labels Microtonal Hybrid und Lowcut Records an der Tagesordnung. Ebenso veröffentlichen wir im April zusammen mit Hanson & Schrempf unsere erste offizielle Mix-CD unter dem Namen „Techno From The East“. Erscheinen wird das Ganze über Zyx Music und dürfte überall im sortierten CD-Handel erhältlich sein.

Und weil das Alles noch nicht genug ist habt ihr seit August 2008 auch noch einen kleinen Vinyl-Vertrieb aufgebaut?

Recall 8: Wie du schon richtig erkannt hast, haben wir uns im letzten Jahr dazu entschieden unsere Platten direkt zu vertreiben. Durch Carstens Kontakte und Erfahrungen als Mitarbeiter bei Deejay.de lag der Gedanke nahe, auch weitere Labels aufzunehmen. Gesagt, getan und so entstand innerhalb von einem Jahr ein ganz beachtliches Kontingent an nationalen und internationalen Labels, die wir betreuen und deren Tonträger wir vertreiben. Außerdem bieten wir in Verbindung dessen, noch einen „Schallplatten-Press-Service“ an und kümmern uns um die Pressaufträge diverser Labels. Anfragen nehmen wir gern und jederzeit über office@miditonal.com entgegen.

Bei all den Aktivitäten stellt sich mir die Frage, ob ihr überhaupt noch Zeit fürs Produzieren und Eure Musik findet?

Reche (lacht): Eine wirklich gute Frage, die man nicht so pauschal mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann. Klar finden wir noch Zeit fürs Produzieren, allerdings ist es immer wieder eine Herausforderung die 24 Stunden eines Tages effektiv zu nutzen und einzuteilen. Es gibt Tage an denen wir vormittags die ganze Büroarbeit erledigen und am Nachmittag/Abend neue Tracks für etwaige Releases oder unseren Liveact produzieren. Allerdings bleibt dieser Zustand oft nur eine Ausnahmeerscheinung, denn Label & Vertrieb können `ne Menge Zeit rauben.

Wie würdet ihr Euren derzeitigen musikalischen Stil beschreiben?

Recall 8: Hardstyle-Wonky-Breakbeat-Rave dürfte wohl derzeit am Besten passen! Allgemeingesehen würde ich aber unseren Stil nicht an irgendeinem Genre festmachen. Wir bedienen uns gern verschiedener Charaktere. British Hardcore und Breakbeat darf man getrost als unsere „alte“ Liebe bezeichnen. Und genau diese Liebe, vermischen wir gern mit neuen Strömungen zu dem von uns typischen Reche & Recall Style.

Wie steht ihr eigentlich dem Umstand gegenüber, dass immer mehr Künstler von Vinyl auf MP3 (Bsp. Traktor) umsteigen?

Reche: Um ehrlich zu sein, hat jedes Medium seine Vorteile und seine Daseinsberechtigung. Wir bedienen uns, sei es beim Auflegen oder während unserer Vertriebsarbeit, gern beider Medien. MP3’s bieten den Vorteil, neue Tracks fokussierter und preiswerter auszuwählen, außerdem ist es platzsparender und man kann aus einem wesentlich umfangreicheren Repertoire schöpfen – vorausgesetzt man hat sich durch den riesigen und meist unübersichtlichen MP3-Dschungel gekämpft. Ebenso bietet das Medium MP3, die Möglichkeit seine Musik weltweit zu verbreiten und jedem zugänglich zu machen – ein Musikliebhaber in Singapur sollte ja schließlich auch die Chance haben ein Midi- oder Microtonal-Release käuflich zu erwerben. Bei einem Vinyl-Release verhält sich das schon ein wenig anders. Beispielsweise ist es wesentlich schwieriger seine Schallplatten durch fehlende Vertriebsstrukturen und zu hohen Transport- und Zollkosten in jedem Winkel der Welt anzubieten. Aber das analoge Medium hat unserer Meinung nach auch Vorteile gegenüber MP3’s. So ist es während seines Einsatzes unempfindlicher gegenüber äußerlichen Einflüssen als rein digitale Systeme, die sich auch bei uns schon oft als zu instabil erwiesen haben. Außerdem durchschreitet eine Schallplatte während seiner Herstellung einen handwerklichen Entwicklungsprozess, der immer noch qualitätstechnische Maßstäbe setzt. Zudem ist es unbezahlbar ein sich selbst im Wert steigerndes und ebenso zeitresistentes Produkt in den Händen zu halten. Trotz aller Vor- und Nachteile denken wir, dass auch weiterhin die friedliche Koexistenz beider Medien für unsere Arbeit als DJ’s, sowie als Labelbetreiber von Bedeutung sein wird, solang auf beiden Seiten die Qualität und die Musik stimmen.