Text und Interview: Jennifer Lüders
Ich freue mich sehr, dich zu diesem Interview begrüßen zu dürfen! Gleich vorab mal die Frage: Ist ein Interview für Dich eher eine Arbeit, die das Musikbuissiness so mit sich bringt, oder ein Genuss, den Liebhabern oder auch Gegner Deiner Musik, hin und wieder mal deine Ansichten über dich und deine Musik darzustellen?
Beides. Ich mag es sehr gerne, über die Musik und über meine Sicht der Dinge zu sprechen, sehe es als die beste Möglichkeit, Menschen die mich nicht kennen, einen kleinen Einblick in mein Seelenleben zu schenken. Nach allerdings einigen Interviews hintereinander wird es dann etwas zur Arbeit, da ich sehr darauf achten muss, mich nicht ständig zu wiederholen.
„Versponnen, Individuell, Mystisch, gegen den Strom anschwimmend und immer etwas anders“ So werden deine Musikproduktionen beschrieben. Beabsichtigst Du diesen besonderen Sound oder ist er aus deiner Person, deinem Charakter, deiner Art zu sein, „einfach“ entstanden?
Alles entsteht aus mir heraus. Alles ergibt sich frei aus meiner emotionalen Tagesform. Ein freier Fluss ist die einzige Möglichkeit für mich kreativ und produktiv zu sein. Unter Druck und beabsichtigt funktioniere ich nicht.
Wie wichtig ist es dir dich von der Masse abzuheben? Ist es schwierig seinem Stil treu zu bleiben, wenn das Trendbarometer, wie z.B. derzeit, sehr auf’ s Minimale geht?
Da mein Charakter die Musik dominiert, ist es nicht allzu schwer sich von der Masse abzuheben da ich als Individuum nicht die Absicht habe etwas nachzuahmen oder zwingend irgendwo hinein zu passen. Mein Sound war schon immer minimal, allerdings würde ich ihn nicht als minimal Techno bezeichnen.
Ich bewundere sehr, dass du dich nicht musikalisch nicht verbogen hast und hörbar noch immer Johannes Heil bist. Trotz alledem ist die Baseline nicht mehr ganz so hart und schnell wie bei deinem Output in den 90’gern, den man z.T. in der Kategorie „Schranz“ wieder findet (basierend auf Webshop Kategorien). Hat sich dein persönlicher Geschmack verändert? Spielt die Weiterentwicklung des Equipments’ s beim Produzieren und somit beim Endprodukt eine große Rolle?
Mein Geschmack, mein Equipment und die Zeit hat sich verändert. Ich bewege mich ständig, ohne mir dabei untreu zu werden.
Du hast mit genreübergreifenden Sounds kein Problem, wie ich an deiner Remixdiscografie erkennen kann, kein Problem. Da gab es Remixe für z.B. Deichkind oder auch P Diddy. Ist es für dich eine besondere Herausforderung solche Tracks den „Heil-Taste“ zu geben?
Ja, in der Tat. Je weiter das original Stück soundmäßig von mir entfernt ist, umso spannender ist es für mich, einen Remix mit meinem Style dafür zu produzieren.
Wo wir gerade bei der Zusammenarbeit mit andern Künstlern sind. Du arbeitest mit Künstlern zusammen, bei denen sich manch einer über einen einfachen Handshake mit diesem freuen würden. (Sven Väth, DJ Hell, Richard Bartz, Thomas Schumacher etc.). Wie empfindest du diesen Hype um die Künstler?
Like Chuck D. said “don’t believe the hype”
Begonnen hat Deine Karriere im Nauheimer Technobistro Kanzleramt, wo Du als DJ mit Deinem Kumpel Heiko Laux aufgelegt hast. Wann und warum hast Du das DJ Handtuch geworfen und dich entschieden als Live Act zu fungieren?
Nach einigen Dj Auftritten, unter anderem im Frankfurter Omen, hatte ich einen Gig im Ausland, bei dem die gesamte Technik versagte. Und meine Nerven gleich mit. Von da an habe ich mir geschworen nie mehr auf fremdes Equipment angewiesen zu sein und begann mit eigenem Equipment Live zu spielen.
Aus dem Bistro ist das allseits bekannte und sehr erfolgreiche Label „Kanzleramt“ entstanden. Inwieweit bist Du in das Label integriert? Ist es sozusagen auch Dein Label, arbeitest Du aktiv an diesem mit? Das Label ist in Berlin ansässig, wo lebt Johannes Heil und wie kam es zu der Entscheidung ein eigens Label „JH Records“ zu gründen?
Nein, Kanzleramt gehört mir nicht und ich bin in keiner Weise an Arbeiten des Labels beteiligt. Ich lebe in der Nähe von Frankfurt, in einem kleinen Ort, an dem ich die Ruhe finde, welche ich zum leben brauche.
Bevor ich in das Interview einsteige, gebe ich Freunden oft die Chance, eine auf dem Herzen brennende Frage bezüglich des Künstlers endlich beantwortet zu bekommen. In diesem Falle habe ich die Frage eines seit vielen Jahren tätigen DJ’s, der sich anscheinend seit 2000 fragt, warum die Scheibe „Die eigene Achse“ in nur so geringer Stückzahl gepresst wurde. (Er hat keine abbekommen :) Sie erschien ja vorerst nur als einseitige Testpressung. Es war doch das erste Release deines Labels!?
Die Erstauflage der JH 01 „Die eigene Achse“ betrug 1000 Stück. Geplant war 500 Stück zu verkaufen und den Rest zu verschenken. Nachdem das Feedback auf die Platte so groß war wurde sie nachgepresst und mit einem netten Cover + Heiko Laux Remix versehen.
Du hast sehr, sehr viele Platten auf Kanzleramt veröffentlicht, aber nicht nur dort. Du machst auch musikalische Ausflüge auf Labels wie G-Series, Kurbel, Weave, Spielzeug Rec usw.. Geschieht das auf Deinen Wunsch oder auf Anfrage der Labels, nach Johannes Heil Tracks?
Sowohl als auch.
Im Februar 06 wird es ein neues Release geben. Auf welchem Label und was erwartet uns da?
Es ist die Vorabmaxi zu meinem siebten Album, heißt „Freaks R Us“ und wird auf Klang Elektronik erscheinen. Hörts euch an.
Du produzierst und veröffentlichst Tracks unter Synonymen wie „Think Tank“, „State of Chaos“ oder auch damals, zusammen mit Heiko Laux, unter „Item One“. Warum unter neuem/anderem Namen? Ist es nicht schade wenn dann im Preview steht Think Tank aka Johannes Heil? Erfüllt das dann noch den Zweck unter einem Synonym zu releasen?
Ich gebe Dir Recht, Pseudonyme sind eigentlich fürn Arsch.
Manch einer in der Musik tut sich schwer mit Worten, insbesondere mit Tracktiteln. Du versuchst auch mit Worten und Titeln der Musik einen noch größeren Ausdruck zu verleihen. (Fear EP, Die Offenbarung, Sliced Behaviour, Under the Skin, the Eye of Providence, and the Seven Seals of Revelation) Verarbeitest Du in Deinen Tracks Intuitionen und Erlebnisse?
Ja.
Die Produktionen über die Jahre gesehen spiegeln düstere und auch Zeiten mit Lichtblick wieder. Eine Berg und Talfahrt, wie es sich durch das Leben zieht. Wo siehst du dich jetzt in dieser Zeit? Bist Du zufrieden mit Deinem jetzigen Leben oder gibt es Dinge an denen Du noch immer streng arbeitest, sie zu erreichen?
Klar, es gibt einige Dinge an denen ich arbeite um sie zu erreichen. Im Moment sehe ich mich weder auf dem Berg noch in dem Tal.
Wie steht es um die Clubbing Site of Life? Ich vermute mal das Du genug gesehen und gehört hast, so das der Drang nach „Feiern“ im Club nachgelassen hat oder?
Wenn mir die Zeit bleibt, höre ich mir gerne den Sven im Cocoon an, trinke einen und habe spaß.
Bist oder warst Du aufgeregt vor Deinen Gigs? Wie gestaltet sich ein Abend, an dem Du einen Gig hast? Wer begleitet Dich zu diesem? Welches und wie viel Equipment hast du zu schleppen und aufzubauen?
Ich bin nach wie vor vor meinen Auftritten nervös und ich denke das wird auch immer so sein. Zu meinen Gigs begleitet mich stets meine Verlobte und mein Booker.
Wo produzierst Du? Hast Du ein eigenes Studio? Wie gestaltet sich ein Tag im Leben des Johannes Heil?
Zuhause habe ich mein eigenes Studio.
Du konntest die Entwicklung der Szene der elektronischen Musik über Jahre hinweg spüren und erleben. Siehst Du das eher mit einem weinenden Auge? Es wird viel geredet über den derzeitigen Stand. Da wird von sterben des Undergrounds, Kommerzialisierung usw. gesprochen. Ich persönlich empfinde den heutigen Stand als sehr vielfältig, offen und für jeden Geschmack etwas dabei. Eben irgendwie ausgewogen. Es gibt wieder den kleinen Underground, aber auch große Raves, Discopartys alla Studio 54 und die Schickeria 1A Deko Partys, wie ich es jetzt mal bezeichnen mag.
Das sehe ich so wie Du. Es gibt keinen Grund traurig zu sein, alles ist gut.
Welche Veranstaltungen sind dir die liebsten? Wie sieht ein genialer Abend eines Gigs für dich aus? Magst Du vielleicht mal kurz deinen besten und kuriosesten oder schlimmsten Gig skizzieren?
Vom Gefühl her passiert in mir wesentlich mehr wenn ich in einem Club spiele, da der direkte Kontakt zum Publikum ungeheure Energie mit sich bringt. Einer meiner Lieblingsgigs war z.B. in Belgien im Fuse Club, wo sich der Laden im laufe meines Auftritts in ein tobendes Stadion verwandelte.
Mir ist aufgefallen, dass du ein Künstler bist, der so gut wie nie kritisiert wird in seiner Arbeit. Das hat sicher auch seinen guten Grund, gemessen an Deinem Erfolg und deinem großartigen Output. Gab es dennoch mal eine Kritik, die dich hart getroffen hat und dich vielleicht sogar beeinflusst hat? Fragst Du nahe stehende Personen nach ihrer Meinung zu deinen Tracks bevor du sie zur Veröffentlichung freigibst?
Es gab hier und da Kritiken die fast persönlich wurden, es hat mich in diesem Sinne aber nicht beeinflusst, sondern eher gewundert. Ich frage niemanden nach seiner Meinung zu meiner Musik. Hauptsache mir gefällts.
Richard Bartz (kurbel|cocoon) antwortet mir auf meine Frage hin, wo ich ihn denn in 20 Jahren zu einem Interview aufsuchen müsste, das ich dann: „höchstwahrscheinlich einen Besuchstermin im Patiententrakt einer Nervenheilanstalt“ bekomme. Wo siehst Du Dich in der Zukunft?
Wenn Rich n Sixpack auf'm Zimmer hat, würde ich ihm ganz gerne Gesellschaft leisten.
Vielen Dank, für die Zeit, die du dir für dieses Bild zu dir, deinem Leben und vor allem deiner Musik genommen hast! Ich hoffe im Sinne von intelligenter elektronischer Musik, noch viel und lange von dir hören zu dürfen.