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Monika Kruse - the politics of alternativ dancing - Interview

Titelmotiv -

Monika Kruse beweist in Personalunion, wie viel Potential man freisetzen kann, bleibt man seiner Sache aus tiefster Überzeugung treu. Sie ist von beginn der Neunziger aktiver Bestandteil der deutschen Techno und House Szenerie und seit vielen Jahren eine global gefragte Akteurin. Ihr individueller Stil hilft ihr unentwegt zu einer barrierefreien musikalischen Entwicklung in den Standartkategorien DJing und Produzieren. Vom Klassischen Funk & Soul inspiriert, sucht sie als Labelinitiatorin kontinuierlich nach frischen Impulsen, auch wenn sich so eine Etikette nur schwer anbringen lässt. Steht ihr Label Terminal M seit jeher für Fortschrittlichkeit im technoiden Clubkontext, so bewies sie mit der Gründung ihres zweiten Imprints Electric Avenue, wie viel mehr kreative Schwingungen im elektronischen Kosmos für sie frequentieren – ein Umstand der sie aus persönlicher Vorliebe Diese zu Veröffentlichen bewog, lange bevor man in der Breite mit Themen wie Minimal oder Electro kokettierte. Gleichsam lobenswert ist ihr ungebundenes Engagement gegen rechte Gewalt mit ihrem Projekt „No Historical Backspin“. Auch im siebten Jahr nach dessen Gründung verweist sie mit Aktionismus auf die Brisanz des Themas, und das mit zunehmender Wichtigkeit.

Dein Label Terminal M hat die 50er VÖ Grenze schon einige Zeit überschritten. In dieser Zeit entstanden viele deiner eigenen Werke in Kooperation mit Patrick Lindsey - seit kurzem vernimmt man jedoch verstärkt Gregor Tresher als kreativen Verbündeten wahr - war es Zeit für eine Erfrischungskur des Kruse[schen] Sound?

Nein, so ist es nicht. Gregor veröffentlicht schon seit Jahren bei mir auf dem Label. Schon von Beginn stand der Wunsch im Raum, etwas Gemeinsames zu machen - leider dauerte es bis ins Frühjahr diesen Jahres, bis wir die Zeit fanden. Die Zusammenarbeit hat sich, wie angenommen, als sehr fruchtbar erwiesen, so dass wir direkt das Projekt GTMK gründeten, da uns klar war: es handelt sich hier nicht um ein „one off“ Treffen. Wir wollen definitiv mehrere VÖ realisieren.

Die Sachen befruchten sich also sinngemäß, schließlich ist das Soundbild des neuen Projektes differenzierter?

Klar klingt es anders, jede Kooperation unterscheidet sich, denn jeder Produzent hat sein individuelles Klangbild und Gregor hat eine sehr spezielle Soundstruktur - ich arbeite sehr perkussiv und rhythmisch, er steht auf flächigen leeds sound. Im Vergleich, sind ja die Sachen die ich komplett selbst geschrieben habe wie z.B. "Latin Lovers" für meinen Sound charakteristisch, die sich konsequenterweise ganz anders anhören wie Lindsey oder Tresher Produktionen. Der generelle Vorteil einer Kooperation findet sich im Austausch - hier liegt für mich der Reiz des Ganzen.

Dein letztes Album „On the Nippon Road“, in Form einer Mix CD, ist nur in Japan erschienen. War dies so konzipiert, oder trägt es dem erhöhten Interesse des japanischen Marktes Rechnung, dieser gilt ja traditionell als umsatzstark im alternativen Dance- Sektor?

Das stimmt so nicht ganz. Die CD ist natürlich auf der ganzen Welt, und ganz normal im Geschäft erhältlich, ohne Einschränkung, nur eben drei Monate später. Es gab ein Erst- Veröffentlichungsrecht seitens der Japaner. Die Elektronik- Kette HMV, quasi das japanische Pendant zum hier bekannten Media Markt - nur etwas größer, ist mit ihrem Wunsch und dieser speziellen Bitte an mich herangetreten. Auch wenn dies vertraglich vereinbart wurde, stellte sich für mich die Frage „ob und wie“ keinesfalls, diese Mix CD erscheint nur einmal im Jahr. Für mich war es eine Ehre ausgewählt worden zu sein, schließlich war die Vorgänger- CD von Jeff Mills.

Wie wertest du aktuell die Relevanz von Vinyl. Die Diskussion ist nicht neu, jedoch haben Mp3 und CD Djing eine enorme Akzeptanz errungen und die neue Generation von DJs nimmt die Vinyl Tradition nicht an?

Wir lassen nach wie vor Vinyl pressen und ich persönlich lege mit Vinyl auf. Obwohl ich um die verminderte Dominanz im Tonträgermarkt weiß. Die Absatzzahlen sind gravierend zurückgegangen. Du bist unter einer bestimmten Auflagenzahl kaum noch in der Lage Press-, Print-, und Gema- Kosten zu erwirtschaften. Man schneidet sich sehr tief ins eigene Fleisch, wenn man Platten noch pressen lässt, obwohl man weiß, dass einige Veröffentlichungen niemals die Unkosten reinspielen, weil sie zu speziell sind - jedoch bin ich Vinyljunkie. So bin ich aufgewachsen und werde diesem Medium immer verbunden bleiben - die Ethik des Schwarzen Goldes ist für mich ausschlaggebend. Selbst bei den vielen Sachen die ich als MP3 zugesandt bekomme, kaufe ich diejenigen die ich für elementar wichtig halte später als Vinyl. Das ist meine Philosophie – die Leidenschaft des Sammlers!

Gern wirst du als „Grand Dame“ des deutschen Techno präsentiert, eine Etikette, die nicht zwingend sinnbildlich für soziales Engagement steht. Dein Projekt „No Historical Backspin“ wird von dir jedoch seit 7 Jahren kontinuierlich betrieben. Wie stehst du der verminderten medialen Präsents gegenüber, gerade in Zeiten in denen man über „no go areas“ im gesamten Bundesgebiet debattiert?

Wir haben mindest einmal im Jahr seit der Initialisierung eine Party realisiert und unzählige andere Projekte mit selbem Hintergrund unterstützt. Wie alles was in den Medien eine große Resonanz hat, stand auch die „NHBS“ Reihe hoch in der medialen Gunst, solange ein akutes Interesse bestand – leider ist das die Realität, die für uns aber nie von Wichtigkeit war. Mit dem proportionalen Anstieg von rechen Gewalttaten bspw. hier in Berlin und die immer stärker frequentierte „No Go Area“ Diskussion zeigt, wie gewichtig und brisant das Thema bis zum heutigen Tag ist. Wir unterstützen unentwegt Projekte dieser Art, wie im letzten Jahr das Jugendfreizeitheim Manege, was sich um die Integration von Migranten z.B. mit speziellen Workshops für Jugendliche kümmert. In diesem Jahr werden wir wieder mit der „Amadeu Antonio Stiftung“ [amadeu-antonio-stiftung.de] zusammenarbeiten und dem „CURA“ Opferfonds [opferfonds-cura.de], die sich speziell für Opfer rechter Gewalt einsetzen. Da gehen dann die Erlöse der Veranstaltungen hin. Im kommenden Jahr planen wir wieder eine Tour, mit dem speziellen Schwerpunkt: Osten der Republik.

Abschließend ein Thema, was mit dem schwer erarbeiteten Standing der Female DJs in der Männerdominierten elektronischen Musikszenerie konträr geht. Wie stehst du so zwiespältigen Präsentationsformen wie „Topless DJanes“ gegenüber, die sich seit geraumer Zeit immer vehementer mit dem Einsatz von Körpermerkmalen zu Ungunsten des musikalischen Inhalts in den Vordergrund drängen?

Alles wofür in der Vergangenheit seitens der weiblichen DJs gekämpft wurde, erfährt hier einen Rückschritt zu Gunsten von billigen auf Sex reduzierten Darbietungen. Der hart erkämpfte Respekt gegenüber den Errungenschaften in Produktion, DJing und Performance von uns DJ Frauen tritt so wieder in den Hintergrund. Klar, man sollte sich nicht in Sack und Asche hüllen, wenn man ein positives Erscheinungsbild hat, jedoch der Versuch die Aufmerksamkeit als DJ Frau auf eine billige Art und Weise zu bekommen, indem man "Oben Ohne" performt ist meiner Ansicht nach inakzeptabel. Ich selbst habe Angebote von der Zeitschrift Maxim und sogar des Playboys, die mich als halbnacktes DJ Girl hinter den Turntables präsentieren wollten abgelehnt. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass sich solche „Girls“ kein Standing in der Szene erarbeiten, und demzufolge auch nicht in den relevanten Clubs spielen werden. Ich betrachte diese Entwicklung weinend- und lachenden Auges. Sonderbarer Weise gibt es hier einen Markt der bedient werden will. Vielleicht sollte man die Schuld nicht bei den Akteurinnen allein suchen, wenn es doch ein Publikum gibt was sich derartig ergötzt.

Text & Interview: Ronny Seifert

Weiterführendes

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