Das ehemalige Konstantinopel, heute Istanbul, ist nicht nur für Türken, sondern für den gesamten Osten, das Tor zur Welt. Und dank der Musik, oder gerade mit ihr, kommuniziert Istanbul mit dem Westen. Die fiktive Brücke über den Bosporus, in der Wirklichkeit eher ein Glasfaserkabel, vereinigt Tradition mit der Moderne und bringt Künstler wie Onur Özer auf die Bretter die die Welt bedeuten.
Onur war schon als er noch auf dem eurasischen Kontinent lebte von der Vision ergriffen elektronische Musik zu machen und eines Tages auf der Loveparade aufzulegen. Istanbul beeindruckt Onur, der sich damals noch den Namen DJ Eden gab, nur durch sein imposantes Erscheinungsbild, durch die goldig funkelnde Silhouette, die die Gäste empfängt. Musikalisch hat der mittlerweile in Berlin lebende Türke keinen Draht zu seiner Heimatstadt gefunden, zu gering war das Interesse für elektronische Musik hier.
2005 wurde Alex Knobloch, Head des Berliner Durchstarter Labels Vakant, auf ihn aufmerksam, dessen Imprint neben nationalen Acts wie Mathias Kaden und Robag Wruhme auch internationale Künstler wie Alex Smoke und Tolga Fidan in ihrer Kartei hatte. Zu dieser Zeit hatte Alex Smoke dem Label bereits den ersten Hit „Simple Things“ beschert, welche 5000 mal verkauft wurde und war dabei eine noch minder besetzte Nische in der Label- und Agenturlandschaft zu schließen. Onur spielte vorher nur 1x in Köln und war in Berlin zur Vakant Night das New Face des Labels.
Seine ersten Releases mit „Freakdisko“ auf Freude am Tanzen und „Envy“ auf Vakant wurden von Groove, Raveline und De:Bug als einfallsreich und anders betitelt. Onur ist mit seinen ersten Veröffentlichungen gleich in die düstere Welt des Minimaltechnos abgetauscht ohne sich dabei in belanglosem Geklimper zu verlieren. Sein Sound ist leicht mystisch, oft orientalisch und doch meist so international. Hier trifft Tradition auf Weltoffenheit. Eine ganze Kanonade an Hall-, Stör- und Rauscheffekten verbunden mit heimatlichen Soundeffekten, Blitz und Donner.
Es folgen weitere Ergüssen auf Vakant. Die „Twilight EP“ als 8. Release des Labels ist ebenso betörend konsequent und erweckt durch die Verbindung von tiefen Bässen und leichten Melodien den Eindruck, als ob ihr Onur eine Portion Magie indiziert hat. Es folgt der Kontakt zu Mathias Kaden, dessen Produktionen auf Vakant ohne seinen Spannemann Marek Hemann deutlich minimaler und trockener ausfallen. Man versteht sich auf Anhieb und produziert zusammen im Vakant-Kokon „Momentum“, die erste Mix-Compilation, die Produktionen aller hauseigenen Künstler enthält und sich vertrippt und leicht verspult durch die Minimalsphären quackert. 2007 ist sein Jahr, es folgt die Single „Red Cabarette“ mit ebenso beschwörerischen Melodien und tiefer drückender Bassline, die wie alle Stücke des jungen Emigranten auch seine Herkunft und seine Einflüsse dokumentieren, denn mit Tracks, in denen man den Computer klar durchhört, sind nicht Onurs Fall.
Ende 2007 stellt Onur Özer dann sein erstes Album fertig. Als Album CD oder 3er Vinyl ist diese erste Track-Sammlung wieder ein magisches Portfolio seiner Intensionen. Geprägt von einer riesigen Bandbreite diverser Instrumente ist „Kashmir“ zwar laut De:Bug und Groove ein Werk, dass erst beim mehrmaligen Hören seinen Reiz entwickelt, dennoch geprägt von einem weiten Spektrum der oftmals reduzierten Minimalsparte. Das Album ist nach Onurs Aussagen ein atmosphärisches Kunststück, auch für zuhause oder eben gerade für zuhause.
Wenn Onur das Nightlife erobert verschlägt es ihn gerne ins Watergate, hier ist er willkommen, hier fühlt er sich wohl, als Gast und als Deejay. Außerhalb der Landesgrenzen liebt er das Amnesia auf Ibiza, das Harry Klein in München oder die Partys in Barcelona. Mittlerweile kennt und schätzt man ihn auch in Istanbul. Bei einem Konzert in der Metropole sorgte er für das Warm Up zu Digitalism und Daft Punk und testete mit Erfolg die Tracks für sein aktuelles Album.
Der Vakant-Sprößling ist selber ein leidenschaftlicher Plattensammler, Final Scratch und Co für ihn ein klares No-Go. Dabei ist seine Art Platten zu kaufen eher introvertiert und basiert auf den Online-Shops, denn das Internet hat niemals geschlossen. Sucht Onur den Kontakt findet man ihn in Berlin im Hardtraxx oder bei Kompakt in Köln. Vielleicht hat er sich auch nur schnell an das Internet gewöhnt, wenn man als DJ aus einer Stadt kommt, die zwar 16 Millionen Einwohner hat, aber nicht einmal einen Plattenladen vorweisen kann.
Text: Nico Walther