Es ist schon nicht einfach wenn man als Techno-Romantiker verschrien ist und musikalische Anzüge wie Neo-Trance und Kitsch-Techno für einen angefertigt werden, sich dem zu entledigen. Paul Kalkbrenner hat sein maßgeschneidertes Technogewand nicht abgelegt, sondern verfeinert und siehe da, es passt nun noch besser. Es wirkt alles eine Spur reifer, entspannter und ist schon lange kein funktionaler Rave mehr womit er erneut den Nerv der Zeit trifft.
Du hast eine ganze Zeit lang noch alle Tracks mit analogen Geräten produziert, live aufgenommen und analog geschnitten. war der Zeitfaktor der einzige Grund dieser Sache irgendwann zu trotzen oder muss Mensch in diesem Zeitalter von Maschine auf Computer umstellen?
Ich war ein bisschen nachlässig, dadurch dass man noch mehr Gedanken hatte, schon wieder was Neues machen wollte und das mit einem Analogpult ungünstig war. Dann macht man das was man gerade drauf liegen hat noch fertig, um dann den nächsten Track zu machen. Das Zeitalter war schon ein wenig der Faktor, aber ich muss sagen, ich bin im Moment mit meinem Musikprogramm total zufrieden und kann zurzeit alles machen was ich möchte.
Betitelst du deine Tracks immer noch nach Wörterbuch?
Ja, eigentlich ja. Die Arbeitstitel fallen mir meistens ein aber die sind so unlogisch, dass eigentlich kein Titel so betitelt werden kann wie er hier intern im Computer heißt.
Deine Tracks jonglieren auf einem ganz dünnen Seil von Melancholie bis Euphorie und das ohne Netz und doppelten Boden. Sind da Parallelen zu deinen Erfahrungen im Leben zu erkennen?
*lacht* Das haben andere Leute über mich geschrieben. Wie soll ich sagen, ich bin selber nicht dabei das zu kapieren, kitschig zu sein und gerade noch so die Kurve zu kriegen. Wenn andere Leute das dann so schreiben ist das ja sehr schön, aber das ist dann keine Intension. Diese Aussagen kommen eher von der schreibenden Zunft.
Ich habe das Gefühl, das du dich vom Rave gelöst hast und heute wesentlich erwachsener und entspannter in deinen Stücken daher kommst, was dem Publikum sehr gut gefällt. Mit deinen eigenen Worten „es brutzelt“ mehr.
Weil ich das ein bisschen aufgeteilt habe. Wenn ich live spiele, wird schon noch schöööööön geraved, aber es trennt sich immer mehr, live spiele ich mittlerweile schnell, denn wenn man im Club steht sind 133bpm schon angenehm, aber wenn ich zu Hause sitze und Musik mache, dann dampfen mir bei 130 schon die Socken. Dann mach ich lieber ein Stück langsamer.
Wie holst du dir das Gefühl für das was das Publikum will?
Da bin ich ehrlich gesagt sehr unaufmerksam, ich spiele eher meinen „Stiefel“ wenn ich live auftrete. Ich mache eher das was mir gefällt und bin da eher ein sehr egoistisches Sch.... . Aber es scheint ja allen zu gefallen. Wenn es mir nicht zuerst gefällt, dann wandert es erstmal wieder in die Schublade.
Der aktuelle Longplayer Reworks, nimmt im Bereich Alben einen extra Platz ein, da keine neuen Tracks entstanden sind, sondern alte Kalkbrenner Stücke im neuem Gewand auftreten. Konnten sich die Remixer ihr Stück selber aussuchen oder hast du die passenden Tracks in etwa dem passenden Akt zugeordnet.
Ja, die konnten sie sich selber raussuchen. Ich wollte es mal anderes herum machen. Frisch gemachte Tracks und jeder durfte sich einen aussuchen und dahinter stehen halt alle die, die ich nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich mag. Das war der Sinn der Sache, dass es befreundete Menschen sind und die konnten auch machen was sie wollten, also ich hab da alles wie es ankam veröffentlicht.
Ein neues Album bringt irgendwo immer die eigene Innovation und die neunen Wege, Strömungen und Neigungen rüber. Das fällt nun bei Reworks völlig weg, oder?
Ja, obwohl ich sagen muss, dass die Idee „es soll am Ende nicht nur ein Vinyl sein“ da war. Komischer Weise ist es dann doch ein richtiges Album geworden. Mit dem Wighnomy Brothers Text dachten wir am Anfang, was ist das denn. Da hatten wir was ganz anderes erwartet, aber jetzt stellt sich da heraus, wir haben ein richtig schönes Intro und auch der Rest macht irgendwie Sinn. Es ist eine richtig schöne CD geworden.
Deine Tracks sind für mich oftmals bedacht, trocken, teilweise verzückend und wohltuend. Schreit es in einem Paul Kalkbrenner auch manchmal und hast du nicht einmal den Gedanken über deine Tracks alles impulsiv und laut hinaus zu brüllen?
Das mache ich beim Live spielen. Ich mache es egal wie viel Musik ich gemacht habe in der Woche. Ich mache mit dem Computer Musik und vermisse halt die Knöpfe nicht so doll, weil ich sie fast jedes Wochenende dann wieder in der Hand habe. Und dann freu ich mich richtig drauf, wenn ich die ganze Woche keine Knöpfe in der Hand hatte. Und dann gibt’s beim Live spielen halt richtig „In the Face“ und der ganze Dampf der Woche kann abgelassen werden.
Wie gehst du selber mit für dich und durch dich geschaffenen Begriffen wie „Techno-Romantiker“ „Neotrance“ und „Rave-Techno mit Klitschfaktor“ um?
Bei so Ausdrücken wie „Neotrance“ wusste ich nie so richtig was das soll. Denn so ne Welle kommt ja immer mal wieder, wann war das ... vor 5 Jahren oder so. „Techno-Romatiker“ trifft es ziehmlich gut *grinst* damit komme ich sehr gut klar.
Text & Interview: Nico Walther