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Tobi Neumann - Interview

Titelmotiv -

Tobi Neumann ist berühmt berüchtigt für seine Sets in Clubs und auf Festivals. In der Produzentenszene zählt er mit zu den gefragtesten Remixern und auch seine eigene Produktionen, die er gern im Hintergrund von etablierten Acts - zum Beispiel: Chicks On Speed, DJ Hell, Miss Kittin, 2raumwohnung oder Sven Väth - serviert. Seit 2001 lebt der gebürtige Münchner nun, wie so viele seiner Zunftkollegen, in Berlin und ist mit stolzen 43 Jahren als DJ gefragter denn je. Wir konnten den viel beschäftigten Mann am Telefon über seine aktuellen Projekte verhören.

Hey wie geht’s dir?
Gut, ich komme gerade aus der USA vom Burningman Festival. Das ist eine Art Kunstfestival, da wird in der Wüste in Nevada eine komplette Stadt aufgebaut. Ist natürlich etwas staubig da, aber schon beeindruckend.

Du warst diesen Sommer viel unterwegs, von welchen Inspirationen wirst du über den Winter am meisten zehren?
Definitiv von der Musik von Reboot. Ja und generell spiele ich im Winter eh etwas anders, düsterer und hypnotischer.

ast du eigentlich schon mal was von Bautzen gehört, was fällt dir da als erstes ein?
Als erstes denke ich da an den Bautzener Senf und an Würstchen und an die schönen Mädchen! Ich hoffe das da natürlich auch einige auf der Party sein werden…lach.

Du bist eigentlich Münchner, pflegst du noch Kontakt in deine Heimatstadt?
Selbstverständlich. Meine Familie lebt dort und ich freue mich immer wenn ich da bin. Ich spiele natürlich auch immer wieder mal in München.

Seit vielen Jahren gibt es dort die bekannte House- Party-Reihe Flokati, die du ja vor über 10 Jahren mit ins Leben gerufen hast. Bist du da immer noch aktiv dabei?
Die Reihe gibt es noch, allerdings hat sie etwas an ihrem ursprünglichen Charakter und Charme mit der Zeit verloren. Mir war immer eine sehr persönliche Betreuung der Gäste wichtig. Heute steht mein damaliger Partner nur noch an der Tür. Ich bin 2002 ausgestiegen. Ok, die jungen Leute wollen da heute einfach abfeiern, aber für mich waren das damals die goldenen Jahre.

Im Jahr 2001 bist du von München nach Berlin umgezogen. Warum hast du dich dazu entschlossen?
Ich bin in meiner Heimat irgendwann an meine Grenzen gekommen, wo ich wiederum in Berlin auf einen recht unkonventionellen Lebensstil gestoßen bin. Ich fühlte mich dann so besser in Berlin und wollte eigentlich immer schon nach Berlin und dann hatte es sich so ergeben. Ich hatte in München eben irgendwann das Gefühl, mich zu isolieren und meine Freunde hatten mit zunehmendem Alter eben andere Prioritäten als ich.

Du gehörst zur Frankfurter Cocoon- Schmiede, lebst aber in Berlin. Was unterscheidet deiner Meinung nach beide Metropolen?
Also Berlin und Frankfurt sind für die Musikszene gleichermaßen wichtig. Ohne die Frankfurter Szene würden wir auf jeden Fall arm aussehen. Die Kultur der Festivals und Clubs ist irre wichtig. Berlin ebenso, wir können froh sein, das wir sie beide haben.

Du hast eine recht alte Scheibe namens „Transformation“ (1992) von Tommi Eckard von 2Raumwohnung diesen Sommer als Rmx wieder aufleben lassen. Warum?
Ja die Scheibe ist im Juni auf dem Label „itsounds“ erschienen und ist ein alter Ohrwurm. Wollte das schon lange mal machen und als dann der Tom Novy einen ziemlich schrecklichen Kommerz Rmx gemacht hat, sollte ich dann einen machen. Gemeinsam mit Mathew Styles haben wir dann diesen Rmx kreiert, was sehr viel Spaß gemacht hat.

Was gibt es sonst an aktuellen Projekten und Tracks von dir?
Von meinem Projekt Sensitiva, was ich gemeinsam mit Onur Özer mache, gibt’s demnächst was Neues und zwar auf dem Label SecretSundaze. Das Stück heißt „Viola tricolor“. Auf SecretSundaze ist bereits im Mai eine Mix-CD von mir erschienen. Sensitiva war in diesem Jahr auch auf dem Pure100% Label mit einer Platte vertreten. Dazu existiert ja noch mein Projekt Glove zusammen mit Thies Mynther.

Du bist 43 Jahre alt, wie bleibst und bist du so fit für all die wilden Partynächte?
Ich versuche mich gesund zu ernähren, mache regelmäßig Sport und trinke Tonnen von Wasser. Wichtig ist dabei nicht zu viele Gummibärchen zu essen…lach! Gemüse nur dünsten, Fisch, Salat, viele Fruchtsäfte, kein Alkohol unter der Woche! Kochen hat ja schon mit dem Auflegen was ähnliches, man mischt ebenso, das hat sehr viel mit Gefühl und Spirit zu tun und natürlich auch mit know how!

Wann und wie hast du die Entscheidung getroffen, dich voll und ganz der elektronischer Musik und dem Produzieren hinzugeben?
Das war 1998, damals habe ich noch beim Fernsehen gearbeitet. Ich produzierte mit der Band Bananafishbones den Titel "Come to Sin" und wir schafften es in die Top 20 der deutschen Charts. Mit genügend Geld und Selbstbewusstsein ging es dann in die Vollen. Das es sich allerdings so entwickeln würde, davon bin ich nie ausgegangen.

Du bist ausgebildeter Toningenieur. Siehst und hörst du das ganze Medium deshalb vielleicht etwas kritischer als andere?
Das hat ja den entscheidenden Vorteil, man kann am Set z.Bsp. den Leuten sagen, was man verbessern könnte, man kann Tipps geben und vor allem, kann sich selber helfen und den Klang gut angleichen, weis wie Kompressoren und Limiter arbeiten usw.. Beim Produzieren hilft es natürlich ebenso gewaltig.

Du hast unheimlich viele Produktionen und Remixe für andere Künstler wie Miss Kittin, Chicks on Speed, 2Raumwohnung oder DJ Hell gemacht. Im Vergleich dazu sind relativ wenig eigene Releases erschienen, warum?
Ich hab da bislang nie so den Antrieb gehabt, arbeite aber jetzt schon mehr daran. Es ist schon wichtig geworden heutzutage, ist ja schließlich auch die Visitenkarte und als DJ ist es sehr schwer ohne richtig Fuß zu fassen. Ok, ich bin schon recht lange dabei, habe mit Cocoon eine super Agentur hinter mir und habe auch extrem viele Bookings, aber ich habe auch einfach große Lust Musik zu machen!

Du leidest seit einiger Zeit unter einem Tinnitus. Wie kann man sich das vorstellen, laut deinem Bookingkalender bist du ja ohne Pause fast jedes WE kräftig am spielen?
Es ist halt ein Pfeifen im Ohr da, an manchen Tagen mehr und manchmal weniger. Es nervt schon, aber man muss damit leben, wenn man die Musik liebt!

Was verbindet dich mit Cocoon und Sven Väth?
In aller erster Linie die Tatsache, das Sven derjenige war, der mich zu Cocoon geholt hat. Das ist eine ganz hervorragende Reputation. Cocoon steht wirklich gut da und hat auf Ibiza die fetteste Party der Insel mittlerweile. Das macht mich stolz! Ich bin happy, das Cocoon existiert und dass sie so weit gekommen sind und versuche meinen Teil dazu beizutragen, das es so bleibt.

Was gibt es neues aus dem Hause Cocoon?
Da ist gerade eine wahnsinnig gute Platte von Timo Maas erschienen.

Woran arbeitest und produzierst du gerade?
Ich mache jetzt nach der langen Studio- Sommerpause einige Remixe fertig. Gemeinsam mit Mathew Styles wird vermutlich auf dem Dinky- Label Horizontal eine Platte erscheinen. Dann verlasse ich gerade meinen alten Studioraum und ziehe gemeinsam mit Onur Özer in ein Studio auf dem Alexanderplatz in Berlin. Außerdem bilde ich jetzt einen jungen Kollegen zum Tontechniker aus.

Was ist deiner Meinung nach wichtig für heranwachsende Produzenten?
Ich halte es für das Wichtigste eine gute musikalische Ausbildung zu haben. Ich habe mein Leben lang Musik gemacht, kann komponieren usw. Jedoch um gut zu komponieren, benötigt man auch Harmonielehre. Das ist wichtiger als fünf Programme bedienen zu können.

Wo siehst du die Zukunft der elektronischen Musik und Szene?
Für mich ist es die sich am schnellsten weiter entwickelnde Musik und eine unglaublich lebendige Kultur. Ich bin da frohen Mutes, das es stets weiter gehen wird. Ok, die ewige Diskussion um Vinyl, Mp3, CD. Ich finde dass aus so einem Computer ziemlich viel Matsch rauskommt, letztendlich kommt es darauf an, was man für Musik spielt. Ich persönlich unterstütze Vinyl, weil es Plattenläden weiter geben sollte, nur noch Terminals wäre eine fürchterliche Vorstellung. Und sind wir mal ehrlich, es gibt wesentlich härtere Aufgaben im Leben als eine Kiste Platten zu schleppen. Das ist für mich nicht zu viel verlangt und ein lächerliches Argument, sein Gepäck damit zu erleichtern.

Bei welcher Musik kannst du dich richtig entspannen?
Ganz aktuell hat mich Radiohead unglaublich berührt. Raz Ohara auf get physical mag ich auch sehr. Ich bin da recht vielseitig, von einer tollen Synphonie über richtig gute Ambient Musik darf es alles sein. Brian Eno zum Beispiel oder gerne auch südamerikanische Musik, mein Favorit Ray Cooder.

Stichwort:

Putin? …Stalin
Rauchverbot? …sinnvoll
Ibiza? …Musik
Winter 2008? …meine neue Lederjacke
Sven Väth? …immer weiter
Kinder? …meine Tochter Greta
Techno?...House
Robert Johnson? …bester Club der Welt
Lebensmotto? …If they aren’t yelling it isn’t tobi!

Noch einen Toast auf die Zukunft und die kommende Party am 15.11. im Casino Bautzen?
Auf ein grooviges Set und auf viel Spaß! Ich bin Dienstleister und ich will dass die Leute mit einem Grinsen nach Hause gehen, das ist meine verdammte Aufgabe! So lang mich meine Knochen tragen und mein Gehör mitmacht!

Herzlichen Dank an den Meister!

Text & Interview: Nicole Zwahr

related link: www.myspace.com/djtobineumann