Geschichte der Architektur - Moderne
- Genre
- Architektur, Kunstgeschichte
- Autor
- Paolo Pavole
- Verlag
- Prestel
- Erscheinungsdatum
- 27.02.2012
- Erscheinungsform
- Paperback, Flexobroschur, 144 Seiten und 200 farbige Abbildungen
Bewertung
Thomas Treichel, Aug 20125 / 5 Sternen
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Offeneren Auges geht man durch die Stadt, nach der Lektüre dieses Werkes. Vermutlich ist dies das größte Lob, das über ein Buch, welches sich mit Architektur beschäftigt, ausgesprochen werden kann. Wieso dem so ist? Nun, wieder gegenwärtige Formen, an denen man sonst vielleicht unachtsam vorbeigeht, werden in den Bildern und Texten vorgestellt, oft sind diese bewusst sehr einfach gehalten, mit schlichter Eleganz treten deren rare Ornamente zurück, etwa hinter die Funktion. Doch, wenn man plötzlich die Augen auftut, erkennt man eine Linienführung, eine Teilung von Flächen, eine Akzentuierung von Elementen wie etwa Fenster- und Balkonformen. Das erinnert, worauf der Autor hinweist, an Maler und Bildhauer bzw. deren Wirken in der „modernen“ Zeit, vor Plus-Minus 100 Jahren. Etwa an Piet Mondrian, Paul Klee oder Wassily Kandinsky.
Die Reihe „Geschichte der Architektur“ will einen Überblick über die Epochen in der Baukunst geben. Hier also die der Moderne, Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Diesem Oberbegriffe immanent sind etwa Kubismus, Expressionismus, (Prä-)Funktionalismus, Art déco und noch einige mehr.
Vor allem aber den Architekten und Künstlern um das Bauhaus und dessen Gründer Walter Gropius sowie Ludwig Mies van der Rohe, dem Schweizer Le Corbusier und dem Amerikaner Frank Lloyd Wright gilt die Aufmerksamkeit des Autors. Wie auch die Kunstkritik, welche diese Namen zu Ikonen der Bau-Kunst werden ließ (im Einzelnen manchmal auch gegen den Publikumsgeschmack), ihnen nicht grundlos einige Beachtung schenkte. Neben diesen finden sich jedoch auch solche Architekten, die vor allem den Laien relativ unbekannt sein dürften, aber nicht unbedingt weniger Interessantes schufen. Zusätzlich wird auch auf einige, von den Größeren abweichende, Stilrichtungen kurz hingewiesen, etwa der liturgischen Bewegung in Deutschland, welche endlich andere Gotteshäuser wollte, oder zum Beispiel die Sonderform der Hochhäuser, welche in den USA erfunden wurden und auf welche lange, ganz eigene Mischungen, in vergangenen Epochen verhafteter Gestaltungsformen für die Fassadendekoration verwandt wurde.
Es finden Wettbewerbe Erwähnung, Großprojekte, Pilotsiedlungen, Ausstellungen, Stadtplanungstendenzen, Hauptwerke der Baumeister und dies in Fülle. Dem Sinn der Reihe gemäß, kann natürlich nicht umfassend darauf eingegangen werden, es sind vielmehr Appetizer, die eben den Geschmack schulen und ein Interesse schaffen wollen, für das was dem jeweiligen Leser eben gerade schmeckt. Dies ist in eine chronologische Abfolge eingelassen, die vor allem auf die Höhepunkte der jeweiligen Entwicklung eingeht, jedoch auch aufzeigt, dass die Grenzen zwischen den Stilrichtungen, manchmal an ein und demselben Gebäude zu erkennen, durchaus fließend sein können.
Zwei kleine Kritikpunkte seien aber auch noch kurz erwähnt. Die Bildunterschriften wiederholen gern einmal nebenstehende Textzeilen, was ein bisschen stört. Zum anderen sind ab und an, besonders bei großen Projekten, die Winkel der Fotografien etwas ungünstig gewählt, so dass z.B. ein Detail keine Einordnung erfahren kann, oder der Lageplan einer Siedlung dem Betrachter beinahe Nichts verrät, zumal wenn die Gebäude darauf, bewusst formenschlicht, aus großen Quadern gebaut wurden. So betrachtet man eben mal, vielleicht an Kasimir Malewitsch angelehnt, einige fast gleiche, schwarze Quadrate/Rechtecke auf weißem Grund.
Wie den untenstehenden Informationen zu entnehmen ist, wartet dieses an sich nicht sehr dicke Buch, mit einer dafür beachtlichen Anzahl an Bildern auf. Obschon bei einigen die obige Kritik gilt, ist die große Mehrzahl sehr gelungen in der Wahl des Bildausschnitts. Auch die Farbigkeit kommt, so vorhanden, hübsch zur Geltung. Die thematische Untergliederung macht die Entwicklung sehr gut nachvollziehbar und teilt das Ganze in ziemlich bekömmliche und meist, auch für den unbedarften Leser, verständliche Häppchen. An dieser Stelle aber noch eine kleine Warnung: Die Gebäude stammen meist aus den 20er Jahren, die seither vergangene Zeit bringt es mit sich, dass der ein oder andere Anstrich nicht mehr frisch wirkt oder hier und da mal ein Wasserfleck oder etwas Rost anzutreffen ist, hierüber sollte man hinwegsehen wollen um das Gesehene wirklich würdigen zu können.
Fazit: Besonders wegen der Eingangs beschriebenen Folgen, welche dieses Buch haben kann, lässt sich resümieren, dass jenes wirklich jedem ans Herz zu legen ist. Auch wer sich nicht unbedingt für Architektur, Kunst, Kunstgeschichte, oder die Moderne interessiert, sollte in den Buchhandel gehen und mindestens einmal darin blättern. Denn was diese Welt so dringend braucht wie Weniges anderes, sind offenere Augen.