Anonyme Untote
// Entertainment / Buch

Anonyme Untote

Genre
Roman
Autor
S.G. Browne
Verlag
Heyne
Erscheinungs­datum
12.07.2010
Erscheinungs­form
Taschenbuch, 384 Seiten

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Andy ist 34 Jahre alt, liebender Vater und Ehemann, trinkt gerne Rotwein und ist tot! Nein, Andy ist untot. Er ist ein Zombie. Seit einem Autounfall, bei dem seine Ehefrau gestorben und er von den Toten zurückgekehrt ist, lebt Andy wieder bei seinen Eltern im Keller. Zwei Mal in der Woche nimmt er an der Selbsthilfegruppe „Anonyme Untote“ teil, eine Gruppe von Zombies für Zombies. Da Andy seit dem Unfall körperlich eingeschränkt ist und nicht mehr sprechen kann, fallen nicht nur die Annäherungsversuche an Rita, einer Selbstmörderin aus der Gruppe, sondern der gesamte soziale (Zombie)-Kontakt zaghaft aus. Auch mit den „Atmern“ hat Andy so seine Probleme. Seine Eltern kommen mit seinem neuen Zustand nicht zurecht, von Freunden wird er gemieden, von Unbekannten mit Unrat und Beschimpfungen beworfen und von Verbindungsstudenten aus Spaß verfolgt, verstümmelt und zerlegt, um für grausame Experimente missbraucht zu werden. Die Verwendung als Crash-Test-Dummy ist hierbei noch der „humanste“ Verwendungszweck.

Als jemandem von der Gruppe der Arm gestohlen wird, begreift Andy die Notwendigkeit, etwas für die Rechte der Zombies und sich selbst zu tun. Er beschließt zusammen mit den anderen Zombies, Toms Arm wieder zu beschaffen. Nicht nur ein schwieriges, sondern auch mehr als heikles Unterfangen, denn jeder körperlicher Angriff gegen Atmer, sei es Mutwilligkeit oder Selbsterhaltung, wird mit der langsamen, qualvollen Vernichtung der untoten Existenz vergolten.

Browne erzählt mit seinem Buch nicht nur eine fiktive Geschichte über das Untotsein, sondern skizziert nebenbei noch ein reelles, wenn auch trauriges Bild der Gesellschaft. Zombies haben keine Bürgerrechte, da Sie nicht als menschlich anerkannt werden. Ihnen wird untersagt, die einfachsten Tätigkeiten auszuführen und sie werden schlechter behandelt als Dreck unter Fingernägeln. Hier werden nicht nur Parallelen zur Behandlung der afroamerikanischen Bevölkerung im 19. und 20. Jahrhundert gezogen, sondern eine eindeutige Aussage getroffen, wie der Mensch sich selbst sieht. Frei nach dem Motto: „Was wir nicht verstehen/was anders ist, macht uns Angst. Und was uns Angst macht, muss bedingungslos verfolgt und zerstört werden.“

Neben dieser Thematik greift der Autor noch die philosophischen Kernfragen des „Lebens“ auf. Gibt es einen Gott? Warum hat es gerade mich getroffen? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wie definiert sich Leben und Menschlichkeit? Und wenn Leben und Menschlichkeit durch die Gesellschaft aberkannt werden, gibt es dann noch Ethik und Moral?

„Anonyme Untote“ ist eins der wenigen Bücher, wo der Klappentext halbwegs hält, was er verspricht. „Morbide, makaber, mordsmäßig lustig und nichts für schwache Mägen – eine Zombiesatire zum (Un)totlachen!“, so heißt es auf der Rückseite. Hier und da entlockt die Geschichte ein Schmunzeln oder Kichern, aber zum Auflachen eignet sich das Buch nicht. Morbide und makaber ist das Buch in jedem Fall, wenn zum Beispiel diverse Kochrezepte mit der einen speziellen Zutat aufgeführt werden oder das Zombiesein mit der Geburt eines Kindes verglichen wird. An den meisten Stellen verzichtet der Autor auf detaillierte Beschreibungen, sodass das eigentliche Grauen im Kopf des Lesers stattfindet, was streckenweise sehr stark an die Stilistik von Stephen King erinnert. Klassisches Kopfkino.

Das Buch liest sich flüssig, leider parallel dazu auch viel zu leicht und vorhersehbar. Eine Klimax oder erwähnenswerte dramaturgische Kniffe sucht man hier vergeblich. Die Geschichte plätschert, teilweise träge, vor sich hin und der Leser baut zu keiner der Protagonisten eine Beziehung auf, weder aus Mitgefühl noch Ekel. Die Liebesgeschichte zwischen Rita und Andy ist belanglos und die Beschreibung der diversen Interaktionen zwischen Atmern und Zombies bleibt oberflächlich, ohne Spannung oder den Wunsch zu erfahren, was als nächstes passiert. Am meisten stören jedoch die inhaltlichen Fehler. Der Autor kann sich nicht entscheiden, wie alt die Hauptfigur ist, gibt keine schlüssigen Informationen, warum Zombies das Licht scheuen und wie sie schwanger werden können, geschweige denn werden die gesamten medizinischen Aspekte korrekt dargestellt, wie der Autor sogar im Nachwort zugibt. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass das Buch wie ein Burger ist: Nett für zwischendurch, aber nichts mit Nährgehalt oder um richtig satt zu werden.

S.G. Browne studierte zunächst Betriebswirtschaft, schlief jedoch in den Vorlesungen regelmäßig ein. Erst durch sein Engagement für das Studententheater entdeckte er seine Leidenschaft fürs Schreiben. Die nächsten Jahre arbeitete Browne in Hollywood, bevor er schweren Herzens seinem glamourösen Lebenswandel den Rücken kehrte, um sich ganz seinen Romanen zu widmen. (Text: Constanze Heinisch)

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