Ansichten eines Hausschweins
- Genre
- Kolumnen, Anthologien
- Autor
- Harald Martenstein
- Verlag
- C. Bertelsmann
- Erscheinungsdatum
- 11.10.2011
- Erscheinungsform
- Gebundenes Buch, Schutzumschlag: 208 Seiten
Bewertung
Michael Möbius, Jan 20124 / 5 Sternen
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Das Grunzen des Geringelten. Will mal sagen: In Ordnung. Harald Martenstein, der Kolumnist der „Zeit“ und des „Tagesspiegel“, hat wieder einiges aus selbigen Blättern herausgesammelt und hier nun zwischen zwei Buchdeckel gepresst. 66 kurze Beiträge mit einem Vorwort auf 208 Seiten.
Es geht um Feminismus, das Altern, die Hindernisse des Alltags, die politische Peripherie, die besseren und schlechteren Kulturerscheinungen, die Prominenz der Nachrichten, Zeitgeisterscheinungen, das soziale Miteinander und so weiter und so fort. Kurzgesagt, von allem ein bisschen, aber nicht zu wenig.
Was soll man groß sagen? Martenstein ist ein Schreiber dem sein Ruf vorausgeht. Das ist auch ein wenig das Problem dieses Buches. Es kommt ein Text darin vor, in dem eine Leserin zitiert wird, die ihm attestiert er sei früher besser gewesen. Zwar weist der Autor, zurecht, auf einen gewissen Abnutzungseffekt hin, aber vielleicht hat auch die Leserin ein klein wenig recht.
Die große Mehrzahl der Texte sind brav, gediegen, harmlos. Sie bleiben nicht haften, man überliest sie rasch, gelegentlich kopfnickend, manchmal stirnrunzelnd, immer mal wieder innerlich wiedersprechend, oft emotional sehr distanziert.
Dann gibt es aber wieder Texte die einen überfallen, wo man nur sagen kann: „Genau!“. Ein solch perfekt anmutender Kommentar ist zum Beispiel der Beitrag über die Verteilung der Literaturnobelpreise und wie es dazu kam. Hier ist Martenstein großartig. Dies lässt sich vielleicht noch von vier, fünf anderen Texten sagen. Der Rest ist jedoch, mit Verlaub, von weit geringerer Durchschlagskraft. Der ein oder andere Kommentar zum tagesaktuellen Geschehen wirkt sogar vollkommen unnötig. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Eindruck womöglich auch entsteht, dass Herr Martenstein mit einer gewissen konservativen Liberalität kokettiert, was auf den jüngeren Leser vielleicht etwas altbacken wirkt. Der Rezensent gehört wohl eher nicht zur Zielgruppe.
Vielleicht ist auch deswegen das Ganze wenig einprägsam, weil es ursprünglich als ein Rauschen im Blätterwald konzipiert war. Es ist eine dahinsäuselnde Dekadenz darinnen, ein schweres Atmen stickiger Luft, ein Gähnen in den Worten, welches Müdigkeit vermittelt. Die Worte sind nicht schlecht, der Stil ist nicht schlecht, der Sinn dahinter ist nicht schlecht. Nur eben meist egal. Dennoch machen die, in das Blech eingelassenen, Brillianten wirklich Spaß. Wegen ihnen ist die Gesamtheit noch: In Ordnung. (Text: Thomas Treichel)