Eine glatte Million
// Entertainment / Buch

Eine glatte Million

Genre
Roman
Autor
Nathanael West
Verlag
Manesse
Erscheinungs­datum
21.03.2011
Erscheinungs­form
Gebundenes Buch, Schutzumschlag, 224 Seiten

Bewertung

Michael Möbius, May 2011

5 / 5 Sternen

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Horatio Alger rotiert im Grab! „Amerika ist ein Land voller Chancen. Es nimmt sich der Ehrlichen und Strebsamen an und lässt sie nie im Stich, solange sie beides sind. Das ist nicht Ansichts-, es ist eine Glaubenssache. An dem Tag, da die Amerikaner es nicht mehr glauben, an jenem Tag ist Amerika verloren.“ (S.17) So wird der Romanheld Lemuel Pitkin belehrt, als er in finanziellen Nöten hilfesuchend die Schwelle des Bankiers Nathan Whipple überschreitet. Der rät Lemuel, in die Welt zu gehen und sein Glück zu machen. Dieser ist sogleich Feuer und Flamme, New York heißt der Bestimmungsort, sein Ziel ist es 1500 Dollar in weniger als drei Monaten zu verdienen, eine Summe die heute etwa 18000 Euro entspräche und dies auch noch in Zeiten der Weltwirtschaftskrise! Lemuel ist zuversichtlich ... . Auch sonst beweist er eine bemerkenswerte Einfalt, desweiteren glaubt er an Moral und Gerechtigkeit. Eigenschaften die sich im Weiteren als fatal erweisen werden.

Der Autor Nathanael West nimmt in seinem 1934 erstveröffentlichten Werk, „Eine glatte Million“, den US-amerikanischen Mythos überhaupt aufs Korn. Die Satire, die hier wie auch schon mal da heftig mit dem Zynismus flirtet, entwirft das Gegenbild zu der Eingangs zitierten Ansicht, dass jeder etwas werden könne, wenn er nur fleißig, rechtschaffend und überhaupt grundgut sei. Vom Tellerwäscher zum Millionär. Von Max Mustermann zu Henry Ford oder John D. Rockefeller.

Lemuel glaubt daran. Die Menschen, die ihm auf seiner nun beginnenden Reise begegnen, sind merkwürdigerweise jedoch nicht grundgut, sondern vielmehr Diebe, Betrüger, Vergewaltiger, Rowdys, Luden und andere mehr. Die ihn wahlweise ans Geld, die Gesundheit, seine Freiheit und schließlich sogar ans Leben wollen. Hier gerät der Held in einen Strudel, der ihn in den Abgrund reißen soll. Täppisch wie er ist, tappt er von einem Fettnapf in den nächsten, wobei die Kämpfe, die es zu bestehen gilt, überaus verlustreich sind. So verliert er Teile seiner selbst und verstreut diese gewissenhaft in den USA, alle Zähne, ein Auge, einen Daumen, ein Bein, den Skalp.

Dieser Geschichte eines Anti-Taugenichts (Eichendorf), oder eines amerikanischen Candide (Voltaire), gibt Nathanael West allerdings noch eine klischeehaft-ironische und bedrückend-politische Note. So kommen auch die, von einigen Amerikanern und bestimmten Europäern so geliebte, „jüdische Weltverschwörung“ und der „internationale Bolschewismus“ vor, die sich, selbstverständlich!, desselben Agenten bedienen. Um nun dieser „gewaltigen Bedrohung“ zu begegnen, bildet sich eine faschistisch-nationalistische Gruppe heraus, welche im Laufe des Romans zu einiger Bedeutung gelangt. Gewisse Parallelen sind hierbei ausdrücklich beabsichtiget. Lemuel wird auch hierbei eine Rolle spielen müssen.

West lässt seinen Erzähler die überaus tragischen Ereignisse mit einem lakonisch-heiteren Stil an den Leser herantragen. Damit schafft er es seine Anklageschrift, gegen die musterkapitalistische Welt seiner Zeit und vor allem gegen die idiotische Vorstellung vom Anspruch auf Glück und Kapital, in eine Form zu verpacken, welche die Desillusionierung sehr anschaulich und mehr oder weniger bekömmlich macht.

Der Manesse-Verlag legt hier ein Werk neu auf, das mit einer Menge Humor, ein paar Richtigstellungen, skurrilen Charakteren und jeder Menge platzender Träume, sowie verheerend scheiternder Pläne aufwarten kann und das dazu auch noch in recht hübscher Aufmachung und mit einem sehr informativen Nachwort des Übersetzers Dieter E. Zimmer versehen ist, welchem es darinnen gelingt, selbstredend in Kooperation mit dem eigentlichen Roman, Lust auf weitere Texte von Nathanael West zu wecken. (Text: Thomas Treichel)

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