Athen - Ein Neubeginn der Weltgeschichte
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Athen - Ein Neubeginn der Weltgeschichte

Genre
Populärwissenschaft, Wissenschaft
Autor
Christian Meier
Verlag
Pantheon
Erscheinungs­datum
01.10.2012
Erscheinungs­form
Paperback, Klappenbroschur, 720 Seiten, mit Abbildungen und Karten

Bewertung

Thomas Treichel, Jan 2013

4 / 5 Sternen

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Diese Griechen! Erfinden die doch glatt die Demokratie, begründen die Philosophie, bringen es fertig Bücher zu schreiben von erstaunlicher Haltbarkeit, und machen Theater wo sie gehen und stehen! Vor allem aber dies alles: in Athen.

Das weiß natürlich auch Christian Meier, doch weiß er darüber hinaus noch Einiges mehr. So viel, dass er mit beinahe nur dem fünften vorchristlichen Jahrhundert 720 Seiten füllte. Und wie tat er das? Mit einer spannenden Bandbreite an Themen, die obige Liste sei diesbezüglich ein Stichwortgeber. Denn der Autor bemüht sich aus historischer Sicht, das Zeitgenössische zu beleuchten, so sucht er in Tragödie und Komödie das Vergangene, zur Aufführungszeit jedoch Hochaktuelle und wahrhaft Brisante des thematischen Bezugs auf reale Politik und Gesellschaft aus den Klassikern heraus zu kristallisieren.

Auch nimmt er sich mancher Philosophen und Vor-Sokratiker an, wie auch der Feldherren, der Strategen, der Volksvertreter und Hervortreter aus Selbem. Meist uns Heutigen durch die ersten „Historiker“ überliefert, die freilich noch an der Geschichte etwas mitdichteten (wobei sich fragen lässt, in wieweit dies der Geschichtsschreibung der Nachlebenden nicht immanent ist). Ein Aspekt warum jene Zeit des antiken Athens so spannend ist, weil man gar nicht so viel so sicher weiß. Immer schon ist man auf schriftliche oder künstlerische Überlieferung angewiesen um zu Rekonstruieren, weswegen immer ein schwarzer Fleck bleiben wird, indem sich unendliche Irrtümer verbergen könnten. Die sich wahrscheinlich auch nie ganz werden ergründen lassen. Daher hat auch der Blick in diese Zeit noch immer etwas Lyrisches an sich. Etwas Romantisches, wenn man will Eben auch weil die Quellen mit solchem Anhauch begabt wurden.

Nun macht der Autor kein Schulbuch aus solchem Thema! Eines jener mit so viel Potential für die Verbindungen des geglaubten Wissens, mit hoffentlich logischer Überlegung. Und das gelingt. Manche Passagen nehmen eine packende Romanhandlung an, dann wieder sind es Elemente eines Politthrillers die packen, von allgemeinbildender Kulturgeschichte, die auch durchaus hübsche bis komische Anekdoten in sich birgt. So etwa jener arme Mensch, der es wagte den Griechen Erde und Wasser abzufordern (das damalige Zeichen der Unterwerfung), um es dem Perserkönig zu bringen und auch Gelegenheit erhielt sich diese ganz persönlich zusammenzusuchen, als man ihn dafür in einen Brunnen warf, eben mit dem Hinweis er möge dort suchen. Die Troika sollte darauf verzichten, sich die griechischen Brunnen in öffentlicher Hand allzu genau auzusehen!

Allerdings braucht man mitunter eine gewisse Ausdauer, bis man zu jenen Passagen gelangt. Nicht weil das Dazwischen etwa langweilig wäre, im Gegenteil es erfordert eben Konzentration. Denn was Meier immer wieder versucht, was gleichsam sein Anliegen ist, ist herauszufinden, oder vielmehr vorzustellen, was er glaubt herausgefunden zu haben. Was nun eigentlich dieser Neubeginn war, den er im Titel ankündigt. Auch wie es dazu kam. Dies nun ist sehr vielschichtig und eben auch nicht in Gänze zu ermitteln. Es ist nebulöses Aufkommen, etwa von Selbstbewusstsein bis zur Selbstüberschätzung. Aber auch einer unbestimmten Melancholie, als Gegenpol. Der politische Mensch war entstanden, auch das machtbewusste Bürgertum tauchte auf (in damaligem Sinne des Wortes), doch auch die niederen Soldaten forderten ihr Teil. Geld war im Überfluss vorhanden, Frieden folgte rasch auf Krieg und diesem ein neuer Frieden, Schlachten, Versklavung, plötzlich das Ausgehen des Geldes. Die Kultur in Blüte, Theater, Keramik, Skulptur. Dichter und Denker. Ein ungeheures, historisch so gut wie gleichzeitiges, Durcheinander, in das Herr Meier Ordnung bringt. Indem er in Details gehen und dabei in Schwierigkeiten schliddern muss, wenn er für uns versucht das so Fremde in Worten zu fassen, die nicht immer ganz fassen wollen, was er vielleicht meint, indem er es mühsam umschreibt.

Nun aber noch eine eher materialistische Kritik. Das Papier der Seiten scheint qualitativ nicht ausgereizt, mitunter verwischte dem Rezensenten das Druck-Schwarze unter den Fingern, selbige Blätter sind zudem zu dünn, so dass die nächste Seite hindurchschimmert. Auch der Einband ist in seiner vertikalen Riffelung ganz hervorragend dazu geeignet sich binnen Kürzestem abzuschaben und abzustoßen. Lieber Pantheon-Verlag, da ist noch Spiel nach oben, auch wenn es sich „nur“ um einen Paperback handelt!

Das sorgt für Abstriche aber doch im Verhalten zum Inhaltlichen, „nur“ Geringen. Wem das Interesse an den Griechen nicht durch die Finanzkrise verloren ging, dem kann dieses Buch anempfohlen werden. Und jenem, der „die Griechen“ nicht mehr hören kann, will ja vielleicht trotzdem mal über solche lesen? Solche die mit dem Euro nun ganz sicher noch nichts zu tun hatten. Im Grunde darf aber jeder Geschichts-, Philosophie-, Theater-, (an ur-europäischer) Kultur-Interessente sich von der Veröffentlichung angesprochen fühlen, die da sagt: „Kauf mich.“ Werden Sie ihr folgen?

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