Lügen auf Albanisch
// Entertainment / Buch

Lügen auf Albanisch

Genre
Roman
Autor
Francine Prose
Verlag
Carl’s books
Erscheinungs­datum
24.09.2012
Erscheinungs­form
Paperback, Klappenbroschur, 320 Seiten

Bewertung

Thomas Treichel, Feb 2013

3.5 / 5 Sternen

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Wenn man eine (Ein-)Reise tut... in die USA. Als ein werdender Immigrant. Sollte man sich im Klaren darüber sein, was die Einwanderungsbeamten hören wollen und es diesen dann auch erzählen. Vulgo: Lügen. Lula, aus Albanien, ist recht geschickt darin. Ein glücklicher Zufall lässt sie ihre schlechte Kellnerinnen-Stelle schmeißen, um ihrem illegalen Dasein als „Urlauberin“ ein Ende zu bereiten, indem sie Kindermädchen für einen Teenager spielt. Dessen Vaters übervorsorgliches Wesen, den Verlust der Mutter des Jünglings damit sublimiert, diesem eine unnötige Aufpasserin vorzusetzen. Die Mutter aber ist verrückt geworden und am Weihnachtstag abgehauen. Der Vater aber nun, kennt einen Star-Anwalt, der Lula zur legalen Existenz verhelfen soll.

Klingt ganz schön konstruiert, wenn man es komprimiert. Das ist es auch ein bisschen. Gelungener als die Ausgangssituation, ist das Unvorhergesehene was alsbald am Horizont der New-Jersey-Langeweile auftaucht. Etwa ein die Straße auf und ab fahrender, schwarzer SUV der einem begeisterten „Sopranos“-Fan ein Deja-vu bereitet. Eines das für Lula typisch ist. Die ihre kleinen Filmchen ablaufen lassend, den Leser erheitert. Auch indem sie bei jeder Gelegenheit ihren albanischen Erfahrungsschatz anzapft, um ihre Umwelt von der vergangenen kommunistischen Diktatur zu berichten. Auch hier Wahres und weniger Wahres. Was ihr geglaubt wird. Von den Amerikanern. Die ihr gerne zuhören, so sie davon spricht was in den USA alles so viel besser ist. Die, nachdem sie dies gehört haben und darob befriedigt sind, aber sofort dieses Klischeebild verwerfen und ihrerseits erzählen was Amerika ist. Freilich aus ihrer Sicht, die das, was den Einwanderern gut vorkommt, als selbstverständlich hinnimmt. Die Ambivalenz dessen wird sehr schön offenbar und ist auch recht hübsch pointiert.

Vulgo: Witzig geschrieben. Denn auch die hier auftauchenden Amerikaner sind nicht zur Gänze Klischeebilder. Sie wissen durchaus nicht was in Albanien Sache ist. Dafür aber was ihre Verfassung wert ist. Literarisch, und in wiefern realpolitisch. Auch die Sicht der Einwanderer wird von mehreren Figuren dargestellt. Das prekäre Leben derer die eigentlich politisch unerwünscht sind, jedoch wirtschaftlich unverzichtbar. Besonders weil sie die Dreckarbeit machen. Und welche Wege es gibt vom Tellerwäscher aufzusteigen zum..., Gangster, zu Hure, oder Hostess,... .

Oder zur „exotischen/ sehr europäischen“ Ehefrau eines reichen Wichtes. Jackpot. Aber wer hat schon solches Glück? Lula jedenfalls nicht. Dafür hat sie offenbar einen Verehrer. Einen recht Hartnäckigen. Wenn man hart sein wollte, könnte man ihn juristisch als Stalker bezeichnen. Desweiteren hat sie sehr wohl das „Glück“ sich in den richtigen-„falschen“ Mann zu verlieben. Wie auch jenes, denen, welchen sie vertrauen kann, zu misstrauen und jenen anderen, denen sie nicht trauen sollte, auch. Ihr Erbe aus Albanien.

Andererseits sagt einem dieses Buch über den Kultur(aus-)tausch recht wenig Neues über die USA. Dass in diesem Land nicht unbegrenzte Möglichkeiten des Aufstieges oder der Freiheit warten, dürfte klar sein. Auch dass derer Außenpolitik das Letzte ist, sowie die Glaubwürdigkeit der sogenannten amerikanischen Werte ein historischer Witz. Aber auch dafür können die Amerikaner nur bedingt etwas, oder dagegen, und so müssen sie sich eben mit ihrem Land irgendwie arrangieren. Wie jeder andere Mensch, der wo auch immer geboren wird, sich mit dem Geburtsland auseinandersetzt. Und ganz sicher: Mancherorts ist es erheblich schlimmer. Etwa in Albanien.

Das sieht auch Lula, welche die Naivität um sich herum, die Selbstgefälligkeit und den obszönen Luxus für einige, wenige tolerieren kann, wenn sie in ihrer neuen Heimat Menschen trifft die sie in ihr Herz schließen, welche dann auch Sie, wenn auch zögernd, ebenso lieb gewinnt, trotz Allem was dagegen spricht, trotz deren kleiner Verrücktheiten und ihrer Eigenen.

Dies Buch ist zum Wohlfühlen brauchbar, aber die Zufälle darinnen sind zu unwahrscheinlich. Die Charaktere sind (abgesehen von Lula) zu einseitig, zwar mitunter so schlicht wie deren Möglichkeit zur Realität, in dieser solche tatsächlich anzutreffen, aber eben für den Leser eventuell mehr Abziehbild als wirkliche Figur. Wenn Sie dieses Buch ihrem Schrank anvertrauen wollen, so können Sie dies tun, es wird kein bloßer Ballast darinnen, aber es muss bestimmt auch nicht sein.

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