Der Sommer, in dem wir Gatsby gelesen haben
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Der Sommer, in dem wir Gatsby gelesen haben

Genre
Roman
Autor
Danielle Ganek
Verlag
Goldmann
Erscheinungs­datum
21.06.2011
Erscheinungs­form
Taschenbuch, Broschur, 352 Seiten

Bewertung

Michael Möbius, Aug 2011

4 / 5 Sternen

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Eine Verbeugung vor Francis Scott Key Fitzgerald - Oder genauer: Einen höflich-ehrfürchtigen Knicks, vollführt Danielle Ganek, indem sie ihren Roman das Odeur des besseren Teils der amerikanischen Kultur der letzten drei Jahrhunderte (19., 20., 21.) verströmen lässt. In der Begleitung ausgewählter europäischer Einflüsse selbstredend. Welches sich etwa wie folgt darstellen lässt:

Es entsteht ein hybrides Seiten-Gebilde, mit der Coloration frei nach Jackson Pollock, mit Klangfarben von den Grateful Dead bis hin zu Bob Sinclair angemischt, im Gewande der Vanity Fair, mit dem Geschmack eines Dirty Martini, dabei reichhaltig-sättigend wie ein Käse-Omelett, welches mit reichlich Cupcake-Zuckerguss versüßt, im Dufte des atlantischen Ozeans, welcher, angefüllt mit der Hamptons-Sommersonne, selbst architektonische Sünden in ein liebliches Licht taucht, daherkommt.

Doch nun, nach einem solch langen Satz, einmal Luftholen und Besonnenheit heischend, dem Inhalt zugewandt, etwas detaillierter der Rekapitulation zu ihrem Recht verholfen! Eine Tante stirbt. In ihrem Testament bedenkt sie ihre beiden Nichten. Halbschwestern. Mit einer losen Familienbindung, also verzwickten Verwandtschaftsverhältnissen. Das Erbe besteht aus einem etwas heruntergekommenen Haus, in einer exklusiven Gegend. Angefüllt mit Kunst, Erinnerungen und Krimskrams. Der letzte Wille sieht einen Verkauf der Immobilie vor. Also reisen die Schwestern an, um diesen zu gewährleisten. Zuvor werden sie jedoch, im Gedenken an die Tante, einigen Traditionen die ihnen gebührenden Ehren erweisen.

Es gilt Partys zu feiern! Jede Menge „Garderoben-Cocktails“ zu mixen! Die Kreativität, welche überall der Entdeckung harrt, das Flair, die Atmosphäre in sich aufzunehmen! Ein Rückgriff in die Lebens- und Liebesgeschichten will gewagt werden. Es soll der Weg betrachtet werden, welcher die beiden gegensätzlichen Erbinnen auf diese Veranda führte, um begreifen zu können wie sie dahin kamen und um zu ermessen wohin sie von dort aus fortschreiten könnten.

Was macht man mit dem schrulligen Untermieter? Was folgt dem Tief einer Scheidung? Soll man das Haus verkaufen oder nicht? Und wenn nicht, wie soll man sich dessen Erhalt überhaupt leisten können? Und am Allerwichtigsten: Wie überwindet man die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen?

Jeder hat darauf wohl sehr eigene Antworten, womöglich aber auch gar keine. Die Schwestern suchen nach den ihrigen auf ihre Art und Weise. Die nüchterne, geschiedene Journalistin und Möchte-(Vielleicht)-Gern-Schriftstellerin Stella, die extra aus der Schweiz anreist, genauso wie die exaltiert-quirlige Teilzeit-Schauspielerin und selbsternannte New-Yorker-„Fashionina“ Pecksland, welche gern das letzte Wort hat (siehe Epilog). Mithilfe eines lügnerischen Geldgeadeltem ohne Geschmack, dem homosexuellen Innenarchitekten-Nachbarn/Freund und jenem Fast-Star-Architekten, der gleichzeitig ein ehemaliger Ex-„Fool´s-House“-Bewohner ist. Eben des Hauses, welches nun verkauft werden soll. Zugegeben, dass alles inklusive zahlreicher Klischees, aber doch solcher welche ein sympathisches Bild von den Figuren malen. Die ganze Besetzung wirkt mithin charmant wie der Roman selbst, sogar die „Bösewichter“, echte wie vermeintliche, kommen mit ihren Schelmereien, lediglich etwas blauäugig lädiert, davon. Auch wenn sie ein paar „KRISEN“(!) hervorrufen.

Denn im Testament steckt ein Geheimnis. Ein Gegenstand von höchstem Wert sei nämlich im Haus zu finden. Doch wo nur? Und von welcher Art? Im Safe, von dem niemand wusste und dessen Kombination unbekannt ist? Ist es etwa eines der zahlreichen, scheinbar nicht eben wertvollen, Gemälde an den Wänden? Und was bedeuten eigentlich die Initialen J.P.? Doch nicht etwa ...? Fragen über Fragen. Und eine „KRISE“(!) nach der anderen.

Spielerisch schwebt dieser Roman dahin, mit schwungvoll-leichten Wendungen und Dialogen, die kein bisschen flügellahm sind. Wie ein Schmetterling, der von taubesetzter Fantasie startet, während die Realität dieses Sommers, gegen unseraller Ansprüche an ihr Wirken, ja leider recht böse wettert.

Wer gelobt wird, muss aber auch Kritik einstecken können! Vieles ist bedauerlicherweise ziemlich voraussehbar und die Leichtigkeit des Ganzen wirkt ab und an doch arg gekünstelt, in dieser Welt der Schönen, Reichen und eben Künstler. So dass das Ende dann auch, folgerichtig, zu sehr nach Hollywood schmeckt, was Manchem vielleicht etwas den Appetit nehmen wird. Hat man davon doch, im sonstigen Kulturbetrieb und - konsum, bereits überreichlich zu schlucken bekommen. Alles in Allem wird sich an diesem Taschenbuch des Goldmann-Verlages aber wohl niemand den Magen verderben. Einige werden es sogar überaus köstlich finden. Aber ganz bestimmt mindesten unterhaltsam. Der große Gatsby, sowie sein Erfinder, können dieses Werk ob ihrer eigenen Zitierfähigkeit und der ihnen erwiesenen Huldigungen sicherlich gönnerhaft gutheißen. Man muss selbigen Klassiker übrigens nicht gelesen haben, um an diesem buchstäblichen „Sommer“ Gefallen zu finden.

Ach ja. Noch eine letzte Frage! Was ist ein sehr großer Plus-Punkt für jedes Buch? Wenn es Lust darauf macht mehr zu lesen! Und diese kommt hier auf. So könnte der Leser doch zum Beispiel etwas über den Maler William Merritt Chase nachschlagen, oder ein wenig in den Texten von Bob Dylan schmökern und natürlich auch den guten F. Scott Fitzgerald für sich entdecken. Es könnte sich vielleicht lohnen. (Text: Thomas Treichel)

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