Zenos Gewissen
- Genre
- Roman
- Autor
- Italo Svevo
- Verlag
- Manesse
- Erscheinungsdatum
- 19.09.2011
- Erscheinungsform
- Gebundenes Buch, Leinen mit Schutzumschlag, 800 Seiten
Bewertung
Michael Möbius, Apr 20125 / 5 Sternen
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„Das Leben ist weder hässlich noch schön, sondern es ist originell!“ Und dieses Buch ist es auch. Triest, Italien, Ende des neunzehnten, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Ein Kranker geht zum Psychotherapeuten, er ist hoffnungsvoll, obwohl ihm bisher kein Arzt je helfen konnte. Von diesem Therapeuten bekommt er eine Aufgabe, er soll über sein Leben schreiben, was ihn umtrieb an wichtigen Gabelungen seines Lebensweges. Zeno macht es und offenbart so vor dem Leser unglaublich viel Bedeutungsvolles, wie nebenbei, als plaudere er über Belanglosigkeiten. Er offenbart sich indem er sich verstellt.
Stets rückt er sich in ein merkwürdiges Licht, welches es dem Leser ermöglicht, anhand der Schatten die er zwischen die Zeilen wirft, zu lesen was sehr viel wahrer ist. Was Zeno selber aber nicht sieht. Er berichtet über verzweifelte Versuche das Rauchen aufzugeben, seine Eltern, seine „Krankheit“, seine Frau und den tragikkomischen Weg zu ihr, sowie über seine Geliebte. Seine „Freunde“ werden vorgestellt, auch seine „Arbeit“ und seine nun angeheiratete Familie. Und alle Anführungsstriche sind angebracht, wie sich herausstellen wird.
Es ist ein dickes, kleines Büchlein. Es wird nicht langweilig. Man fiebert mit, nicht weil Zeno besonders sympathisch wäre, sondern weil sein Leben und seine Sicht auf selbiges eben originell und spannend ist. Die Weltwirtschaftskrise, eine Fußnote, der erste Weltkrieg, eine kleine Anekdote. Zeno kreist in seiner kleinen Welt stets um sich selbst, um das was er glaubt das er ist. Was er jedoch nicht ist, zumindest fast nie ist.
Es ist auch ein Buch über die Psychotherapie, über das Unbewusste, über Subjektivität. Es bewegt schwache Nerven und rührt eine Art heiterer Melancholie auf. Ein Schmerz steckt in Allem. Verlustängste, Abgründe, reale wie seelische. Eine Reise auf der Stelle, die weit führt. Und mindestens die folgende Erkenntnis bringt:
„... Aber Erfinden ist eine Schöpfung und keine Lüge.“
Wie viel Wahrheit doch ein einzelner Satz enthalten kann! Man muss aber, und dies sei eine Warnung, bereit sein die Augen weit aufzutun. Stets zweifelnd Zenos Beschreibung mit seinen Selbsteinschätzungen vergleichen. Dann wird man vielleicht, wie der Rezensent, weinen und lachen können. Sein Mitgefühl senden, an eine Schöpfung, die keine Lüge ist. Sondern eben: sehr originell und absolut lesenswert. (Text: Thomas Treichel)